Rn. 82

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Da der Haftungsbescheid kein Steuerbescheid ist, sind die §§ 172ff AO nicht anwendbar. Die Berichtigung, Änderung und Aufhebung des Haftungsbescheids richtet sich nach §§ 129, 130, 131 AO, s BFH BStBl II 1994, 715. Die Änderung des Haftungsbescheids zugunsten des Haftenden ist auch noch nach Ablauf der Festsetzungsfrist möglich (s BFH BStBl II 1998, 131), denn § 191 Abs 3 S 1 AO bezieht sich nur auf den Erlass eines Haftungsbescheids und nicht auf seine Änderung.

 

Rn. 83

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Infolge der Sachverhaltsbezogenheit des Haftungsbescheids kann zu jedem anderen noch nicht erfassten Sachkomplex ein zusätzlicher weiterer Haftungsbescheid ergehen, wenn sich die Regelungsinhalte der Haftungsbescheide nicht überschneiden (BFH BStBl II 2006, 530). Allerdings ist ein weiterer Bescheid rechtlich nur zulässig, wenn der betreffende Prüfungszeitraum beim ArbG noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Es ist die Änderungssperre des § 173 Abs 2 AO zu beachten.

Die LSt-Anmeldung steht gemäß § 168 S 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Es handelt sich um einen zeitraumbezogenen Steuerbescheid, dessen Regelungsinhalt die Entrichtungsschuld des ArbG für den Anmeldungszeitraum ist, also alle lohnsteuerrechtlich relevanten Vorgänge in diesem Zeitraum umfasst.

Ist im Anschluss an eine LSt-Außenprüfung der Vorbehalt der Nachprüfung für die den Prüfungszeitraum betreffenden LSt-Anmeldungen aufgehoben worden, entfällt die gesetzliche Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs 2 AO. Infolgedessen darf gemäß § 173 Abs 2 AO gegenüber dem ArbG kein den Prüfungszeitraum betreffender Haftungsbescheid mehr ergehen, falls nicht eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Denn auch wenn ein bisher zu Unrecht nicht erfasster Sachverhalt erstmals in einem Haftungsbescheid geregelt wird, liegt darin eine Berichtigung der LSt-Anmeldung (vgl BFH BStBl II 1993, 840; 1995, 555; 2009, 703; 2018, 761).

 

Rn. 84

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Wird im Anschluss an eine Außenprüfung pauschale LSt fälschlicherweise durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht, kann mit der Aufhebung des Haftungsbescheids die Unanfechtbarkeit iSd § 171 Abs 4 S 1 AO und damit das Ende der Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist eintreten (BFH BStBl II 1994, 715). Der Eintritt der Festsetzungsverjährung kann nur vermieden werden, wenn der fehlerhafte Haftungsbescheid erst dann aufgehoben wird, nachdem zuvor der formell korrekte Nachforderungsbescheid erlassen worden ist.

 

Rn. 85

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Der BFH hat entschieden, dass ein geänderter Haftungsbescheid im Klageverfahren nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens wird (BFH BStBl II 2009, 539; 2011, 855; BFH/NV 2010, 1814; zustimmend Schallmoser in H/H/Sp, § 68 FGO Rz 16 mwN). In der Literatur finden sich jedoch kritische Stimmen, die eine Anwendung des § 68 FGO auf Ermessensentscheidungen mit beachtlichen Gründen ablehnen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber gerade in der Schaffung des § 102 S 2 FGO seine insoweit systematisch begründete Sichtweise zum Ausdruck gebracht hat. Es stellt sich die Frage, ob nicht dann die Rspr letztlich auch aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung iRd § 68 FGO diesen im Gesetz dokumentierten Willen des Gesetzgebers berücksichtigen muss (vgl zur Kritik und zu den Argumentationssträngen bzgl der Anwendung des § 68 FGO bei Ermessensentscheidungen von Groll in Gräber, FGO, 9. Aufl 2019, § 68 Tz 25; Krumm in Tipke/Kruse, § 68 FGO Rz 4; Nacke, AO-StB 2007, 106 und Steinhauff, jurisPR-SteuerR 24/2009 Rz 3; Steinhauff AO-StB 2010, 119, 124 f; zweifelnd auch Krüger in Schmidt, § 42d EStG Rz 61, 40. Aufl).

Unabhängig von dieser Frage ist aber zu beachten, dass Ermessenserwägungen bis zum Ende der mündlichen Verhandlung ergänzt werden können (s BFH BStBl II 2005, 3; 2006, 530).

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