Private Nutzung eines betrieblichen Handys
Hintergrund: Überlassung eines betrieblichen Handys zur privaten Nutzung
Die X-KG (ein Verlag) kaufte in 2015 von mehreren Arbeitnehmern deren gebrauchte (privat angeschaffte) Handys zu einem symbolischen Kaufpreis (1 EUR und 6 EUR). Zeitgleich schloss die X mit diesen Arbeitnehmern jeweils eine Vereinbarung, nach der die X den Arbeitnehmern ein Handy zur Verfügung stellt und die hierfür entstehenden monatlichen Kosten (Grundgebühr, Verbindungsentgelte oder auch Flatgebühr) bis zu einer festgelegten Höhe übernimmt. Die Arbeitnehmer hatten die Kosten des Mobilfunkvertrags durch Vorlage von Rechnungskopien nachzuweisen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses musste das Handy an die X zurückgegeben werden.
Die X behandelte die ihren Arbeitnehmern erstatteten Kosten der Handy-Verträge als nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfreie Vorteile.
Das FA sah darin eine unangemessene rechtliche Gestaltung und erließ gegenüber X einen entsprechenden Haftungsbescheid. Dem widersprach das FG und gab der Klage statt.
Entscheidung: Steuerfreie private Handynutzung
Der BFH teilt die Auffassung des FG. Die Revision des FA wurde zurückgewiesen. Die vom FA erfassten Vorteile aus der privaten Handynutzung sind nach § 3 Nr. 45 Satz 1 EStG steuerfrei.
Geldwerter Vorteil
Die unentgeltliche Zurverfügungstellung betrieblicher Mobiltelefone einschließlich der dazugehörenden Netzteile durch die X an ihre Arbeitnehmer (auch) für private Zwecke und die Übernahme auf private Gespräche (anteilig) entfallender Grundgebühren und Verbindungsentgelte stellen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich steuerbare (geldwerte) Vorteile dar. Diese sind durch das Dienstverhältnis veranlasst. Insbesondere besteht kein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der X als Arbeitgeberin daran, ihren Arbeitnehmern betriebliche Mobiltelefone (auch) zur privaten Nutzung zu überlassen und für die Privatgespräche der Arbeitnehmer aufzukommen.
Betriebliche Geräte des Arbeitgebers
Es handelt sich um betriebliche Geräte der X i.S.v. § 3 Nr. 45 EStG. X war zivilrechtliche Eigentümerin, da sie die Handys von ihren Arbeitnehmern aufgrund wirksamer Kaufverträge (zu Preisen zwischen 1 EUR und 6 EUR) erworben hat. Die Arbeitnehmer waren nicht wirtschaftliche Eigentümer. Sie konnten weder als Leasingnehmer noch aufgrund einer sonstigen, neben dem Arbeitsverhältnis bestehenden Sonderrechtsbeziehung über die Mobiltelefone verfügen. Ihnen war ausweislich der mit der X abgeschlossenen Verträge lediglich der Gebrauch der Geräte während des laufenden Arbeitsvertrags gestattet.
Kein Scheingeschäft
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter einig sind und das Vereinbarte nach dem übereinstimmenden Willen keine Geltung haben soll (BFH v. 9.10.2013, IX R 2/13, BStBl II 2014, S. 527, Rz. 29). Folglich ist kein Scheingeschäft gegeben, wenn der von den Vertragsbeteiligten erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt. So liegt es hier. Denn die Inanspruchnahme der erstrebten Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 45 EStG setzt gerade voraus, dass die X zivilrechtliche Eigentümerin der Geräte wurde. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die abgeschlossenen Kaufverträge nach dem Willen der Vertragsparteien keine Gültigkeit haben sollten.
Keine Versagung der Anerkennung nach Fremdvergleichsgrundsätzen
Der Fremdvergleich ist im Streitfall nicht anwendbar. Denn zwischen der X und ihren Arbeitnehmern bestand ein natürlicher Interessengegensatz. Sie standen sich als wirtschaftlich selbständige Marktteilnehmer gegenüber, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie ihre jeweiligen (wirtschaftlichen) Interessen beim Abschluss gegenseitiger Verträge wahren. Die Arbeitnehmer verkauften ihre Handys zu einem symbolischen Kaufpreis und erlangten (neben dem Kaufpreis) den Vorteil, dass die X ihnen die Kosten des Mobilfunkvertrags erstattete und das Risiko bei Reparaturen, Beschädigungen oder Zerstörung der Geräte trug. Neben dem Arbeitsverhältnis bestanden keine privaten Beziehungen, auf denen die Veräußerung der Handys zu den vereinbarten symbolischen Kaufpreisen beruhen könnte.
Kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten
Es liegt auch kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO vor. Die Kaufverträge und die Übereignung der Geräte an die X sind vielmehr die wirtschaftlich angemessene, einfache und zweckmäßige Möglichkeit, der X betriebliche Handys zu verschaffen. Dass die X die Handys anschließend wieder ihren Arbeitnehmern überließ, um die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 45 EStG zu nutzen, führt nicht zur Unangemessenheit der Gestaltung. Vielmehr verwirklicht sich dadurch gerade der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene steuerliche Vorteil. Im Übrigen ist die Höhe der Anschaffungskosten des Arbeitgebers für den Erwerb der betrieblichen Telekommunikationsgeräte im Rahmen der Steuerbefreiung nicht relevant. Der Tatbestand des § 3 Nr. 45 EStG wird durch den Kauf der Geräte bestimmungsgemäß verwirklicht.
Hinweis: Abweichung von der Verwaltungsanweisung
Die Verwaltung versagt die Steuerbefreiung beim Ankauf eines Handys vom Arbeitnehmer zu einem symbolischen Preis, da der Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht standhalte, so dass es sich bei dem Handy nicht um ein betriebliches Gerät des Arbeitgebers handele (LSt-Handbuch, H 3.45, Beispiele für die Anwendung des § 3 Nr. 45 EStG: Beispiel 2).
Verwendung der SIM-Karte
Der BFH stellt klar, dass die Erstattung der den Arbeitnehmern entstandenen Kosten der Mobilfunkverträge nur steuerfrei ist, soweit diese auf die Nutzung der betrieblichen Geräte des Arbeitgebers entfallen. Wird die zum Mobilfunkvertrag gehörende SIM-Karte nicht in dem vom Arbeitgeber überlassenen betrieblichen Gerät (z.B.in einem Gerät des Arbeitnehmers oder eines Dritten) verwendet, handelt es sich letztlich um die Übernahme der (anteiligen) Kosten eines privaten Telefonanschlusses des Arbeitnehmers, die nicht nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei ist (BFH v. 21.6.2006, VI R 50/05, BStBl II 2006, S. 715). Im Streitfall hat das FG jedoch nicht festgestellt, dass die Arbeitnehmer die SIM-Karten in privaten Mobiltelefonen verwendet haben.
BFH Urteil vom 23.11.2022 - VI R 50/20 (veröffentlicht am 16.02.2023)
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