Rn. 24

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Der ArbG kann nur dann LSt einbehalten, wenn er den Arbeitslohn als Barlohn auszahlt. Erhält der ArbN einen lstpfl Sachbezug oder wird der Lohn von dritter Seite gezahlt, so kann der ArbG keine LSt "einbehalten". In diesen Fällen greift § 38 Abs 4 S 1 EStG. Danach gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der ArbN stellt dem ArbG den Fehlbetrag zur Verfügung oder der ArbG behält einen entsprechenden Teil der anderen Bezüge des ArbN zurück. Kann der ArbG gleichwohl nicht die LSt abführen, sei es, weil der ArbN die Beträge nicht zur Verfügung stellt oder der ArbG keine anderen Bezüge des ArbN hierfür verwenden kann, ist der ArbG verpflichtet, dies dem Betriebsstätten-FA nach § 38 Abs 4 S 2 EStG anzuzeigen. Unterlässt er diese Anzeige, so stellt sich die Frage, ob der ArbG dann nach § 42d EStG haftet. Hat der ArbG entsprechend § 38 Abs 4 S 2 EStG den Fehlbetrag angezeigt, so regelt § 42d Abs 2 EStG, dass der ArbG in dieser Situation nicht haftet. Den Fall der Nichtanzeige regelt das Gesetz nicht expressis verbis.

 

Rn. 25

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Der BFH hat die Ansicht vertreten, dass der ArbG im Falle der Nichtanzeige für die nicht abgeführte LSt hafte (BFH BStBl II 2002, 884). Er führt aus:

Zitat

"Diese Anzeigepflicht ergänzt die Einbehaltungspflicht. Die Anzeige ersetzt die Einbehaltung. Sie kann daher als eine Form der Erfüllung der Einbehaltungspflicht angesehen werden ... Versäumt der ArbG die Anzeige, so erhebt er die LSt nicht vorschriftsgemäß. Dies hat die Haftung nach § 42d Abs 1 Nr 1 EStG zur Folge."

Die Entscheidung hat in der Literatur Zustimmung erfahren (Bergkemper, FR 2003, 95; Ehehalt, BFH-PR 2003, 90). Auch die Verwaltung folgt dieser Ansicht (H 42d.1 LStH 2021 "Allgemeines zur ArbG-Haftung").

 

Rn. 26

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Diese Ansicht des BFH wird aber im Schrifttum zum Teil kritisiert (Eisgruber, DStR 2003, 141; Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 42d EStG Rz 25, 20. Aufl und Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 38 EStG Rz 25, 20. Aufl; Nacke, DStR 2005, 1298). Nach dieser Literaturansicht wird der Wortlaut des § 42d Abs 1 Nr 1 EStG überdehnt. Wenn danach der ArbG für LSt, die er "einzubehalten und abzuführen" habe, hafte, so falle danach nicht die fehlende Anzeige nach § 38 Abs 4 S 2 EStG darunter. Es liege daher eine haftungsbegründende Analogie vor.

 

Rn. 27

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Der zuletzt genannten Ansicht ist zuzustimmen. Ob der ArbG in diesen Fällen haftet, richtet sich danach, ob die Haftungsschuld entstanden ist. Die Haftungsschuld des Haftenden entsteht, sobald gemäß § 38 AO der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Entstehung der Haftung knüpft. Der Tatbestand des § 42d Abs 1 Nr 1 EStG fordert für eine Haftung, dass der ArbG eine "einbehaltene LSt" nicht abführt. Eine Anzeige kann dabei schon vom Wortlaut her nicht als "einbehaltene LSt" angesehen werden. Der BFH spricht daher selbst auch von "ergänzen" und "ersetzen". Es ist somit vom BFH ein Analogieschluss gezogen worden, der iRd belastenden Verwaltung unzulässig ist. An anderer Stelle erkennt der BFH die Unzulässigkeit der haftungsbegründenden Analogie (BFH BStBl II 1980, 465). Soll im Fall der Nichtanzeige der ArbG haften – darauf deutet die Absicht des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Schaffung des § 42d Abs 2 EStG hin (Umkehrschluss zu § 42d Abs 2 EStG) –, so muss mE der Gesetzgeber auch einen entsprechenden Haftungstatbestand in § 42d EStG aufnehmen.

 

Rn. 28

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Das gleiche Problem dürfte sich auch im Zusammenhang mit der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 41c Abs 4 EStG stellen, auch wenn der Gesetzgeber hier ebenfalls von einer Haftung bei Nichtanzeige ausgegangen sein dürfte (Umkehrschluss zu § 42d Abs 2 EStG).

 

Rn. 29

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Weiterhin ist fraglich, wann der Fall des § 41c Abs 4 EStG iVm § 41c Abs 1 Nr 2 EStG gegeben ist. Hier kommt es darauf an, ob der ArbG den nicht vorschriftsmäßigen LSt-Einbehalt "erkannt" hat. Erforderlich ist hiernach eine positive Kenntnis. Daher schließt der Haftungsausschluss des § 42d Abs 2 EStG iVm § 41c Abs 4 EStG eine Haftungsbefreiung auch dann ein, wenn der ArbG vorher die LSt schuldhaft – mit Ausnahme des Vorsatzes – verkürzt hat (Hartz/Meessen/Wolf, ABC-Führer LSt, "Haftung für LSt" Rz 62; Gersch in H/H/R, § 42d EStG Rz 56, November 2018; aA Eisgruber in Kirchhof/Seer, § 42d Rz 24, 20. Aufl; Krüger in Schmidt, § 42d EStG Rz 14, 40. Aufl, der eine unzulässige Rechtsausübung annimmt, wenn der ArbG sich überhaupt nicht über die richtige Einbehaltung der Steuer unterrichtet hat und sein Verhalten völlig willkürlich ist).

 

Rn. 30

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

vorläufig frei

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