1. Allgemeines

 

Rn. 2234

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen hat die Praxis unterschiedliche Schätzungsmethoden entwickelt. Es ist Sache des FA, nach pflichtgemäßem Ermessen die geeignete Schätzungsmethode auszuwählen (zur Auswahl s FG Ha vom 20.05.2019, 6 K 109/18). Sie kann dabei auch mehrere Schätzungsmethoden, die für die Schätzung geeignet sind, miteinander kombinieren (Tipke/Kruse, § 162 AO Rz 52). Leitlinie für die Auswahl ist die Frage, welche Methode die größte Gewähr bietet, mit zumutbarem Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen (BFH BStBl II 1982, 409; 1986, 226).

Der StPfl hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Schätzungsmethode (BFH BFH/NV 1999, 290). Ein Ergebnis der FinBeh, das auf der Grundlage einer von ihr gewählten Methode begründet ist, braucht daher nicht durch eine weitere Schätzungsmethode überprüft zu werden (BFH BFH/NV 1999, 290).

Da die Schätzung des FA gerichtlich voll überprüfbar ist, erfordert dies eine die Umstände und Durchführung betreffende klare und umfassende Dokumentation. Eine nicht nachprüfbare Schätzung ist nicht aufrechtzuerhalten (BFH BStBl II 1987, 80; BFH/NV 1995, 573; 2004, 1618).

Das FG ist an die Schätzungsmethode des FA nicht gebunden und kann anstelle des FA eine andere Schätzungsmethode wählen. Es besitzt nach § 96 Abs 1 S 1 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis (s zB BFH BFH/NV 2013, 1445).

Der StPfl hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Schätzungsmethode (BFH BFH/NV 2013, 1445). Dabei führt die Verletzung von Mitwirkungspflichten des StPfl zu einer Minderung des vorgesehenen Beweismaßes (BFH BStBl II 1989, 462; FG Köln vom 02.07.2010, 11 K 3676/06). Das FG muss die Beteiligten auch nicht im Voraus auf die Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis hinweisen (BFH BFH/NV 2013, 1947). Zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung ist das FG aber verpflichtet, den Beteiligten eine von ihm in Betracht gezogene, bisher nicht erörterte Schätzungsmethode vorweg mitzuteilen, wenn diese den bereits erörterten Schätzungsmethoden nicht mehr ähnlich ist oder die Einführung neuen Tatsachenstoffs erforderlich wird (BFH BFH/NV 2013, 1947).

Es lassen sich im Wesentlichen folgende Schätzungsmethoden unterscheiden:

2. Innerer Betriebsvergleich

 

Rn. 2235

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Die zuverlässigste Schätzungsmethode ist der innere Betriebsvergleich, dh die Nachkalkulation,

  • die anhand des Wareneinsatzes und/oder anderer Kosten wie zB Lohnaufwand, Raumkosten, die Kalkulation des StPfl nachvollzieht und so zunächst seine Umsätze ermittelt und
  • dann Rückschlüsse auf seinen Gewinn erlaubt.

Sie ist allgemein von der Rspr anerkannt (BFH BFH/NV 2007, 69 mwN; FG Mchn vom 04.05.2010, 13 V 540/10). Die Zuverlässigkeit der Nachkalkulation hängt von der richtigen Ermittlung des Wareneinsatzes und der Rohgewinnaufschlagsätze ab. Kalkuliert der Betrieb mit unterschiedlichen Aufschlagsätzen, so muss auch iRd Schätzung der Wareneinsatz entsprechend aufgeteilt werden (BFH BFH/NV 1985, 12; BStBl II 1975, 96).

Wie stets hängt auch hier die Frage, wie differenziert und umfangreich die Kalkulation vorgenommen werden muss, von der Frage ab, wie groß die Buchführungsmängel sind, aus denen sich die sachlichen Unregelmäßigkeiten ergeben. So können Unsicherheitszuschläge gerechtfertigt sein.

Die Nachkalkulation muss der StPfl nicht selbst erstellen. Er ist aber verpflichtet, gezielte Fragen des FA zu beantworten bzw Nachweise vorzulegen (BFH BStBl II 1982, 430). Die Kalkulationsgrundlagen sind dem StPfl auf Verlangen mitzuteilen (BFH BStBl II 1982, 430).

3. Äußerer Betriebsvergleich

 

Rn. 2236

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Das ist der Vergleich des Umsatzes, der Aufschlagsätze, des Rohgewinns oder des Reingewinns des StPfl mit denen anderer Betriebe. Dabei wird in der Praxis die Richtsatzsammlung der FinBeh, die jährlich neu erstellt werden, als Vergleichsobjekt herangezogen (zuletzt s BMF vom 28.11.2022, BStBl I 2022, 1609 – Richtsatzsammlung 2021). Die Richtsatzsammlung wird von der Rspr als Hilfsmittel der Verprobung und Schätzung anerkannt (BFH BStBl II 1975, 217; 1978, 278; BFH/NV 2007, 1134; FG D'dorf EFG 2011, 1177; vgl auch R 4.1 Abs 2 S 3 EStR 2012 und H 4.1 EStH 2021 "Gewinnschätzung"). Ein Vergleich mit dieser Richtsatzsammlung kommt nur in Betracht, wenn der Betrieb nach seiner Art und seinem Umsatz dem entspricht, was die Richtsatzsammlung ausweist.

Der Gewinn der Richtsätze ist der nach dem Bestandsvergleich zu ermittelnde Gewinn. Die Richtsätze stellen auf die Verhältnisse in einem durchschnittlichen Betrieb ab, die besonderen Umstände des Einzelfalles, dessen Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden sollen, sind deshalb besonders zu berücksichtigen (BFH BStBl III 1962, 440). Ggf sind daher Zuschläge oder Abschläge vorzunehmen. Überschreiten die Hinzuschätzungen die höchsten Reingewinnsätze der Richtsatzsammlung, so ist dies nur zulässig, wenn nachvollziehbare Gründe dafür bestehen (FG Münster vom 23.06.2010, 12 K 2714/06 E, U).

Die Werte der Richtsatzsammlung sind im Fall einer Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs 3 EStG nicht unmi...

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