1. Allgemeines

 

Rn. 2226

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Sind die Grundlagen der Besteuerung nicht zu ermitteln, so sind sie zu schätzen. Dabei tritt an die Stelle der Sicherheit die Wahrscheinlichkeit in unterschiedlichen Graden. Die Lockerung des Erfordernisses der Sicherheit ist nicht stufenweise, sondern fließend, dh, es sind in jedem konkreten Fall feststehende Tatsachen zu verwerten, und im Übrigen ist vom wahrscheinlichsten Sachverhalt auszugehen (BFH BStBl III 1967, 349; 1967, 686). Sind aufgrund einer Verprobung Fehler der Buchführung entdeckt worden und ist die Schätzungsbefugnis zu bejahen, so können die Verprobungsrechnungen auch zur annähernden Bestimmung der Höhe der Besteuerungsgrundlagen herangezogen werden.

 

Rn. 2227

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Um den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten zu kommen, ist einer ergänzenden Schätzung grds der Vorzug vor der Vollschätzung zu geben. Daher ist grds dem inneren Betriebsvergleich als dem auf die konkreten Verhältnisse abgestimmten Ermittlungsvorgang der Vorzug vor dem äußeren Betriebsvergleich (an Hand von Richtsätzen) zu geben (BFH BStBl II 1983, 618). Bei beiden Methoden ist der Rohgewinnschätzung als der Schätzung, die mit den wenigsten Unsicherheitsfaktoren behaftet ist, der Vorzug vor der Halbrein- und Reingewinnschätzung zu geben (BFH HFR 1962, 239).

An letzter Stelle der Zuverlässigkeit steht die griffweise Schätzung, bei der die Schätzung aufgrund einer Vermögenszuwachsrechnung am ehesten die Gewähr der Wahrscheinlichkeit bietet. Dies gilt insbesondere gegenüber der Schätzung nach dem Verbrauch. Die griffweise Schätzung muss das letzte Mittel sein und bedarf daher der Rechtfertigung (RFH RStBl 1937, 756).

Daneben kommen als Schätzungsart Unsicherheitszuschläge bzw -abschläge in Betracht (s zB FG Mchn vom 29.03.2010, 14 K 2006/08).

2. Teilschätzung

 

Rn. 2228

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Die Teilschätzung geht von dem erklärten oder mit Sicherheit festzustellenden Sachverhalt aus und ergänzt ihn um einzelne geschätzte Besteuerungsgrundlagen. Der eine sachliche Unstimmigkeit nahelegende Fehler ist immer darauf zu untersuchen,

  • ob er durch eine bloße Korrektur richtig gestellt werden kann oder
  • ob sich Unsicherheiten zeigen, die eine weitere ergänzende oder eine Vollschätzung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich machen.
 

Rn. 2229

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Das FA muss zunächst iRd Amtsermittlung versuchen, den Sachverhalt aufzuklären. Dies gilt auch dann, wenn der StPfl seinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren nicht nachkommt und die erforderlichen Unterlagen von Dritter Seite angefordert werden müssen. Führen diese nicht zur Aufklärung, so kann das FA die Teilschätzung vornehmen. Ein häufig auftretender Anwendungsfall für eine Teilschätzung ist die Hinzuschätzung von Kapitaleinkünften. Wird zB vorgetragen, die festgestellten KapErtr seien treuhänderisch für einen Dritten erzielt worden und wird dieses Treuhandverhältnis durch den StPfl nicht nachgewiesen, so berechtigt dies zur Teilschätzung von Kapitaleinkünften (BFH BFH/NV 1998, 196).

Leistet der StPfl Bareinzahlungen auf sein betriebliches Bankkonto, ist er bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw wo die Mittel herkommen, nach § 90 Abs 1 S 1 AO verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das FG von weiterer Sachaufklärung absehen und den Sachverhalt dahin würdigen, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen FG Ha vom 18.07.2016, 6 V 84/18).

 

Rn. 2230

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Teilschätzung ist auch die Erhöhung einer Besteuerungsgrundlage um einen Unsicherheitszuschlag (bzw Sicherheitszuschlag oder Fährniszuschlag; BFH BFH/NV 1995, 373; 2008, 587; 2014, 1374). Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht verbuchten Umsätzen steht, charakterisieren (BFH BFH/NV 1999, 741; 1995, 373; 2014, 1374).

Liegen schwerwiegende Pflichtverletzungen vor (insbesondere in Fällen nachgewiesener, in der Buchführung nicht erfasster Mehreinnahmen), so kann ein Sicherheitszuschlag damit begründet werden, dass ansonsten die Besteuerung dem StPfl zum Vorteil gereicht (vgl BFH BFH/NV 1999, 741). Andererseits sollte der Gewinn auch bei einer groben Schätzungsmethode so festgesetzt werden, wie es am wahrscheinlichsten ist (BFH BStBl III 1967, 686), so dass für einen Zuschlag kein Raum bleibt, allenfalls insofern, als der höchstmögliche Gewinn zugrunde gelegt werden kann (BFH BStBl III 1967, 349).

Da Unsicherheitszuschläge bzw -abschläge aufgrund von § 162 AO erfolgen, müssen sie dem Grunde und der Höhe nach nachvollziehbar sein. Es bedarf zu ihrer Rechtmäßigkeit einer ausreichenden Begründungstiefe des FG-Urteils, aus der erkennbar ist, warum diese Schätzungsmethode im entschiedenen Fall notwendig ist und dass sie auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Schätzungsergebnisses allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen entspricht (BFH BFH/NV 2018, 602; 2018, 606).

Unsicherheitszuschläge können zB ange...

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