Rn. 3

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Grundvoraussetzung für die volle Anrechnung der KapSt ist zunächst bestehendes zivilrechtliches, aber zusätzlich wirtschaftliches Eigentum des StPfl an den Wertpapieren; vgl Salzmann/Heufelder, IStR 2017, 125, 127; Spilker/Kremer, BB 2018; 2775 [2777]. Letzteres ist davon abhängig, wie im konkreten Einzelfall die Rechtsbeziehungen zwischen dem Besitzer oder Verfügungsbefugten einerseits und dem zivilrechtlichen Eigentümer andererseits ausgestaltet sind; Blesinger in Kühn/v Wedelstädt, AO und FGO, § 39 Rz 11, 21. Aufl 2015; Höring, DStZ 2016, 727, 728; BFH v 18.08.2015, I R 88/13, DStR 2016, 168.

Der Maßstab ist nach § 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO, inwieweit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein anderer eine gesicherte Position innehat, die es ihm gestattet, den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das WG auszuschließen; Koenig, Abgabenordnung, § 39 Rz 16, 3. Aufl 2014; Ratschow in Klein, AO, § 39 Rz 22, 12. Aufl 2014. Bei Wertpapieren wird wirtschaftliches Eigentum begründet, sobald der Erwerber nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner darüber verfügen kann; Koenig, aaO, § 39 Rz 28; Ratschow, aaO, § 39 Rz 48. Dies ist nach Auffassung der höchstrichterlichen Rspr der Fall, wenn Besitz, Nutzungen und Lasten und vor allem das Kursrisiko (Wertänderungsrisiko) auf den Erwerber übergegangen sind; Berger/Matuszewski, BB 2011, 3099.

Wirtschaftliches Eigentum über Wertpapiere scheidet aber nach Auffassung des BFH zB bei sog Cum/Ex-Geschäften mit Aktien aus, wenn der Erwerb der Aktien mit dem durch ein Kreditinstitut initiiertes und modellhaft aufgelegtes Gesamtvertragskonzept verbunden ist, nach welchem der Initiator den Anteilserwerb fremdfinanziert, der Erwerber die Aktien unmittelbar nach ihrem Erwerb dem Initiator im Wege einer sog Wertpapierleihe (bis zum Rückverkauf) weiterreicht und der Erwerber das Marktpreisrisiko der Aktien im Rahmen eines sog Total Return Swap-Geschäfts auf den Initiator überträgt; BFH v 16.04.2014, I R 2/12, Leitsatz 2, DStR 2014, 2012. Mit seinem Urt BFH v 18.08.2015, I R 88/13, BStBl II 2016, 961 hat der BFH ausgeführt, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer sog Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, ausnahmsweise beim Verleiher verbleiben kann, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte. Dies hatte bereits das FG Nds v 21.11.2013, 6 K 366/12, DStRE 2015, 280 in erster Instanz so beurteilt. Für außerbörsliche Geschäfte hat das FG He v 10.02.2016, 4 K 1684/14, DStR 2016, 1084, rkr, erkannt, dass bei außerbörslichen OTC-Geschäften, bei denen die Belieferung der Aktien abweichend von der Vereinbarung erst nach dem Dividendenbeschlusstag erfolgte, zum Zeitpunkt des schuldrechtlichen Vertrages kein wirtschaftliches Eigentum an den Aktien begründet wird; vgl auch FG He v 10.03.2017, 4 K 977/14, EFG 2017, 656; ebenso FG Köln v 19.07.2019, 2 K 2672/17, EFG 2020, 367; beide Entscheidungen sind jedoch noch nicht rechtskräftig.
Bei Cum/Cum-Transaktionen ist mit der Einbuchung der Wertpapiere in das Depot des Entleihers bzw Erwerbers (sachenrechtliches Erfüllungsgeschäft) vor dem Dividendenstichtag vom Übergang des zivilrechtlichen und grundsätzlich auch des wirtschaftlichen Eigentums auszugehen (BMF v 17.07.2017, BStBl I 2017, 986 Rz 11). Diese an sich klare Aussage wird allerdings sofort relativiert durch die eindeutige Anweisung, dass bei Cum/Cum-Gestaltungen zu prüfen ist, ob ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten iSd § 42 Abs 2 AO vorliegt. Der weitere Hinweis, dass bei KapErtr, die ab dem 01.01.2016 zufließen, § 36a EStG vorrangig anzuwenden ist, verdeutlicht nur die Prüfungsreihenfolge.

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