Rn. 77

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Die folgenden Vorgänge fallen unter § 18 Abs 3 EStG und gelten als außerordentliche Einkünfte iSd § 34 Abs 2 Nr 1 EStG:

  • Veräußerung/Aufgabe eines (ganzen) Vermögens, das der selbstständigen Tätigkeit dient
  • Veräußerung/Aufgabe eines Teilvermögens, das der selbstständigen Arbeit dient
  • Veräußerung/Aufgabe eines Anteils an einer PersGes mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit.

Die Realteilung ist als Betriebsaufgabe einzustufen, § 18 Abs 3 S 2 EStG iVm § 16 Abs 3 S 2 EStG. Ein Gewinn aus der Aufdeckung stiller Reserven in den WG des Gesamthandsvermögens im Zuge einer (echten) Realteilung führt grds zu einem begünstigten Aufgabegewinn, vgl BFH v 15.01.2019, BStBl II 2020, 251. Die Tarifvergünstigung wird aber nicht gewährt, wenn die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit nicht im Zeitpunkt der Realteilung aufgegeben werden, sondern (wie im Urteilsfall) in eine Nachfolge-GbR überführt werden und der StPfl gegen Abfindung aus der GbR ausscheidet.

Die Veräußerung eines Teils eines (freiberuflichen) Mitunternehmeranteils ist ab VZ 2002 nicht mehr begünstigt, glA Wacker in Schmidt, § 18 EStG Rz 224 (41. Aufl); aA Böttner, DB 2002, 1798; vgl auch BFH v 16.09.2004, BStBl II 2004, 1068.

Die Veräußerung eines "selbständigen Teils des Vermögens" liegt nach der Rspr vor,

  • wenn es sich um wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit unterschiedlichen Kundengreisen handelt, vgl FG D'dorf v 17.04.2002, EFG 2002, 1174 rkr oder
  • bei gleichartiger Tätigkeit, wenn diese in örtlich und organisatorisch voneinander getrennten Bereichen ausgeübt wird, vgl BFH v 11.12.2007, BFH/NV 2008, 559, oder
  • wenn eine vollständige räumliche Trennung bei gleichartigen Tätigkeiten nicht gegeben ist, sofern der veräußerte Teilbetrieb in seinem ursprünglich beim Erwerb vorhandenen Zuschnitt bis zu seiner Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden ist, vgl BFH v 26.06.2012, BStBl II 2012, 777; zu weiteren Einzelheiten hierzu vgl Fuhrmann, NWB 2012, 3600.

Bei Teilanteilsveräußerungen setzt die Begünstigung voraus, dass neben dem Gesellschaftsanteil auch ein entsprechender Bruchteil des Sonder-BV veräußert wird, vgl BFH v 10.11.2005, BStBl II 2006, 173; BFH BStBl II 2006, 176; 2008, 863; s Rn 61.

Zur Rechtmäßigkeit des sog "Zweistufenmodells" bei Aufnahme eines Sozius in eine Freiberuflerpraxis, vgl FG Mchn v 10.03.2005, FGReport 2005, 57 (keine Tarifermäßigung wegen Gestaltungsmissbrauch); FG RP v 16.01.2007, EFG 2007, 937 rkr (kein Gestaltungsmissbrauch).

Die begünstigte Veräußerung einer Praxis setzt voraus, dass die für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen übertragen werden. Hierzu gehören insbesondere immaterielle WG wie Mandantenstamm bzw Praxiswert, vgl BFH v 11.02.2020, BFH/NV 2020, 507.

Aufgrund der Personenbezogenheit der freiberuflichen Tätigkeit verlangt die Rspr für die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 34 EStG zusätzlich, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt wird, vgl zB BFH v 21.08.2018, BFH/NV 2019, 66 mwN.

Der Begriff "gewisse Zeit" ist von der Rspr nicht näher bestimmt und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, vgl BFH v 21.08.2018, aaO. Solche Umstände können zB die räumliche Entfernung der wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Tätigkeit oder die Art und Struktur der Mandate sein, vgl BFH v 01.12.2005, BFH/NV 2006, 298; BFH BFH/NV 2007, 431.

Eine Zeitspanne von 3 Jahren ist aber auf jeden Fall ausreichend, s § 18 Rn 615a (Güroff); so auch die FinVerw, vgl OFD Koblenz v 15.12.2006, DB 2007, 314. Dabei handelt es sich aber nicht um eine starre Grenze, vgl BFH v 11.02.2020, aaO mwN zur Rspr.

Unschädlich ist, wenn im bisherigen räumlichen Wirkungskreis eine wesensverschiedene, andere Tätigkeit als die vorhergehende ausgeübt wird; maßgebend für diese Abgrenzung sind die für eine Teilpraxis iSd § 18 Abs 3 EStG geltenden Kriterien, vgl FG Sa v 30.03.2006, EFG 2006, 887 rkr. Die Veräußerung einer Praxis für Privat- und Kassenpatienten ist nicht begünstigt, wenn der Veräußerer eine Praxis nur für Privatpatienten eröffnet, vgl FG Ha v 05.04.2011, 6 K 191/10.

Unschädlich ist auch, wenn eine geringfügige Resttätigkeit vom Veräußerer fortgeführt wird. Nach Ansicht des BFH liegt die Geringfügigkeitsgrenze bei 10 % der Umsätze der letzten 3 Jahre vor der Veräußerung, vgl BFH v 20.01.2009, BFH/NV 2009, 756. Bei Festlegung der Zeit wird empfohlen, die AfA-Dauer eines Praxiswertes als Maßstab zu nehmen, vgl Sieker in K/S/M, § 34 EStG, Rz B 39 (November 2016); auch die Rspr scheint sich nunmehr an der AfA-Dauer zu orientieren, vgl BFH v 07.11.2006, BFH/NV 2007, 431.

Zur Abgrenzung eines tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns von nicht begünstigten laufenden Einkünften vgl FG BBg v 01.03.2018, EFG 2018, 1544 rkr: Danach stellen die einem ausscheide...

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