1. Grundsätzliches

 

Rn. 160

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Nach st Rspr des BFH reicht es zur Bejahung sittlicher Gründe iSd § 33 Abs 2 S 1 EStG nicht aus, dass sich der StPfl verpflichtet gefühlt und sich wie andere StPfl in vergleichbarer Situation verhalten hat (BFH BStBl II 1984, 484 mwN). Vielmehr ist es erforderlich, dass sich der StPfl nach dem Urteil aller billig und gerecht denkenden Menschen zu den erbrachten Leistungen verpflichtet halten kann (zB BFH BStBl III 1963, 135; FG Mchn v 09.12.2008, 6 K 1473/07), weil "die Sittenordnung das Handeln erfordert" (BFH BStBl II 1971, 628 mwN; BFH BStBl II 2010, 794) und jede Möglichkeit, die geltend gemachten Aufwendungen zu vermeiden, ausgeschlossen ist (zB BFH BStBl II 1978, 147).

Nicht jeder Tatbestand, der zB zu Aufwendungen für andere aus sittlichen Gründen führt, hat den von § 33 Abs 2 S 1 EStG vorausgesetzten zwingenden Charakter. Die sittliche Verpflichtung muss vielmehr so unabdingbar auftreten, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt oder zumindest ähnlich ist (BFH BStBl II 2003, 299; 2004, 267; 2010, 794; H 33.1–33.4 EStH 2020 "Sittliche Pflicht").

Das sittliche Gebot darf nicht als innerer Zwang des Gewissens von dem Betreffenden empfunden werden, sondern muss ähnlich dem Rechtszwang von außen her als eine Forderung oder zumindest Erwartung der Gesellschaft an den StPfl herantreten (BFH BFH/NV 1991, 669; BStBl II 2004, 267). Dabei muss die sittliche Verpflichtung des Einzelnen von seiner Umgebung als so schwerwiegend angesehen werden, dass ihre Erfüllung als eine selbstverständliche Handlung erwartet wird und die Missachtung dieser Erwartung den Ruf des StPfl derart empfindlich beeinträchtigen würde, dass er unter Umständen eine Einbuße in seiner gesellschaftlichen Stellung zu befürchten hätte.

Hieran anknüpfend ist darauf abzustellen, ob die Unterlassung der zu beurteilenden Handlung Nachteile iSv Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben kann, ob das Unterlassen also als moralisch anstößig empfunden wird (BFH BStBl II 1987, 432; 1990, 294; 1990, 895; 1997, 558; 2004, 267). Bei der danach gebotenen Entscheidung, ob das Unterlassen der Aufwendungen Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge hat, ist auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen. Die hiernach geforderten Voraussetzungen für die Annahme der Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen sind somit sehr eng (Brockmeyer, DStZ 1998, 223). Dabei sind vor allem die persönlichen Beziehungen unter den Beteiligten von Bedeutung. Dass auch Vermögen und Lebensstellung der Beteiligten zu berücksichtigen sind, folgt aus der gebotenen Gleichbehandlung rechtlicher und sittlicher Unterhaltspflichten. So hat auch der BFH BStBl II 1978, 147 betreffend Kosten der Ausbürgerung aus der CSSR, um die Angehörigen dort besuchen zu können, die Zwangsläufigkeit abgelehnt. Desgleichen für Aufwendungen als Laienpriester (FG Mchn EFG 1975, 207).

Der BFH (vgl zB BFH BStBl II 1978, 456) behilft sich in st Rspr mit der Formel, besondere Umstände müssten es gerechtfertigt erscheinen lassen, im privaten Sektor eines StPfl entstandene Aufwendungen als ag Belastung der Allgemeinheit zu überbürden (vgl aber auch BFH BStBl II 1983, 453).

 

Rn. 161

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

vorläufig frei

2. Inländischer Maßstab

 

Rn. 162

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Die Frage der sittlichen Verpflichtung richtet sich nach deutschen Anschauungen. Sie ist durch § 33a Abs 1 S 5 EStG dahin entschieden, dass es im Ergebnis auch insoweit auf inländische Wertvorstellungen ankommt (wegen der Begründung im Einzelnen s Rn 134).

3. Aufwendungen für eigene Kinder

 

Rn. 163

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Für typische Unterhaltsaufwendungen ist die Sonderregelung in § 33a Abs 1 EStG zu beachten (s § 33a Rn 100ff (Pust). Kommt der Vater für die Geschäftsschulden des Sohnes auf, so wird das regelmäßig nicht zur Inanspruchnahme des § 33 EStG berechtigen. Eine Ausnahme kann in Betracht kommen, wenn die Leistungen der Eltern eine Ausstattung nach § 1624 BGB darstellen. In besonderen Ausnahmefällen wird dann vom BFH eine ag Belastung angenommen (vgl BFH BStBl II 1987, 779 und Kanzler in H/H/R, § 33 EStG Rz 300 "Aussteuer- und Ausstattungsaufwendungen", Dezember 2020).

Übernehmen die Eltern die Kosten für die Strafverteidigung eines volljährigen Kindes, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob ag Belastung angenommen werden kann oder nicht. Dabei spielen die persönlichen Beziehungen, die Vermögensverhältnisse und die Lebensstellung der Beteiligten eine Rolle (BFH BStBl II 2004, 267).

Trennungsbedingte Umgangskosten (zB Wochenendfahrten) sind keine ag Belastungen. Sie sind durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs abgegolten (BFH BFH/NV 2011, 876).

Auch die Kosten für Besuchsfahrten eines beim anderen Elternteil lebenden Kindes sind keine ag Belastungen (FG BdW EFG 2011, 712). Ebenso gehören auch Fahrtkosten zur Betreuung von Enkelkindern nicht zu den ag Belastungen (FG Münster 01.03.2021, 9 K 1651/18 E, NZB eingelegt Az BFH IX B 21/21).

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