Rn. 91

Stand: EL 162 – ET: 12/2022

Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt vor, wenn sich der bisherige Eigentümer anlässlich der Übertragung von KapVerm an den übertragenen WG den Nießbrauch vorbehält.

 

Beispiel:

Der bisherige Eigentümer (Nießbraucher) überträgt eine verzinsliche Darlehensforderung oder ein Wertpapierdepot auf eine andere Person (neuer Eigentümer, Nießbrauchbesteller) und behält sich die Nutzungen aus dem übertragenen Vermögen (zufließende Zinsen, Dividenden) vor.

 

Rn. 92

Stand: EL 162 – ET: 12/2022

Während der Zuwendungsnießbrauch im Gegensatz zur Auffassung verschiedener FG (s Rn 79) von der FinVerw generell nicht anerkannt wird, sollen die Einkünfte aus dem Kapitalüberlassungsverhältnis beim sogenannten Vorbehaltsnießbrauch dem Nießbraucher zuzurechnen sein (BMF v 23.11.1983, BStBl I 1983, 508). Der Nießbraucher versteuert mithin die ihm zufließenden Einkünfte. Die steuerliche Beurteilung beruht auf der Annahme, dass die Vergütungs- und Nutzungsbefugnis an dem KapVerm weiterhin beim Übertragenden bleibt.

 

Rn. 93

Stand: EL 162 – ET: 12/2022

Diese Beurteilung durch die FinVerw entspricht der hM im Schrifttum (unter anderem Korn, DStR 1999, 1461). Zu demselben Ergebnis kommt das FG Nds EFG 1980, 482 rkr. Der BFH hat die Frage, ob beim Vorbehaltsnießbrauch dem Nießbraucher die KapErtr zuzurechnen sind, bisher offengelassen, BFH v 14.12.1976, BStBl II 1977, 115; BFH v 28.01.1992, BStBl II 1992, 605; BFH v 18.11.2014, BStBl II 2015, 224. Das FG D'dorf v 15.02.2000, EFG 2000, 676 hat die Auffassung der FinVerw bestätigt mit der Entscheidung, dass bei Übertragung von Aktien und Anteilen an einer stillen Beteiligung, an denen sich ein anderer (quotenmäßig) den Nießbrauch vorbehalten hat, der Nießbraucher als "Erzieler" der Einkünfte anzusehen ist. Dem Nießbraucher fließen die Rechtsfrüchte sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich nach wie vor unmittelbar kraft eigenen Rechts zu. Seine Leistungsfähigkeit wird durch den Zufluss der Erträge gestärkt. Im Anschluss an die Entscheidung des FG D'dorf hat der BFH v 29.05.2001, BFH/NV 2001, 1393 entschieden, dass die vom Nießbrauchsverpflichteten für den Erwerb der Wertpapiere aufgewendeten Schuldzinsen nach dem Verhältnis der belasteten zu den unbelasteten Wertpapieren zu kürzen sind.

Nach hM im Schrifttum ist für die Zurechnung der Erträge beim Nießbraucher Voraussetzung, dass dieser während der Dauer des Nießbrauchs Dispositions- und Verwaltungsbefugnisse tatsächlich hat und ausübt und so die typischen Tätigkeiten eines Eigentümers von KapVerm entfaltet. Bei einer bloßen Auskehrung von Erträgen an den Nießbraucher soll der Eigentümer selbst Einkünfte erzielen (Korn, DStR 1999, 1461).

 

Rn. 94

Stand: EL 162 – ET: 12/2022

Die Sonderbehandlung des Vorbehaltsnießbrauchs gegenüber dem Zuwendungsnießbrauch im Hinblick auf die Einkünftezurechnung von Seiten der FinVerw erscheint unbegründet, da dem Nießbraucher in Bezug auf die Möglichkeit, die Höhe der Erträge aus der Kapitalüberlassung zu beeinflussen, in allen Fällen die gleichen Rechte zustehen können. Für die Beratungspraxis kann gegenwärtig bei Steuergestaltungen aufgrund der Auffassung der FinVerw noch von einer Anerkennung des Vorbehaltsnießbrauchs ausgegangen werden.

 

Rn. 95

Stand: EL 162 – ET: 12/2022

vorläufig frei

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