Rn. 30

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

§ 12 EStG ist im Grundsatz gegenüber den anderen einkommensteuerlichen Vorschriften vorrangig. Denn die Rechtsfolge des § 12 EStG besteht in einem absoluten Abzugsverbot für die betroffenen Aufwendungen, so dass diese nicht mehr nach anderen einkommensteuerlichen Vorschriften steuermindernd geltend gemacht werden können.

 

Rn. 31

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Anders verhält es sich mit den im Einleitungssatz genannten Vorschriften. Die Abzugsverbote gelten nur, soweit in § 10 Abs 1 Nr 2–5, 7 9 EStG, § 10 Abs 1a Nr 1 EStG, § 10a EStG, § 10b EStG und §§ 3333b EStG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vorrang führt zu einer partiellen Unanwendbarkeit der Abzugsverbote, weil der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen (subjektives Nettoprinzip) oder sozialpolitischen Überlegungen einen steuermindernden Abzug zulässt.

 

Rn. 32

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

§ 10 Abs 1a Nr 2 EStG (lebenslange, wiederkehrende Versorgungsleistungen) wird in dem Einleitungssatz des § 12 EStG nicht genannt. § 12 Nr 2 EStG ist aber nur insoweit vorrangig, soweit die Versorgungsleistungen nicht dem spezialrechtlichen Institut der Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen sind, sondern freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder Zuwendungen an Unterhaltsberechtigte darstellen (im Einzelnen s Rn 184). § 12 Nr 2 EStG wirkt dabei als Bindeglied zwischen § 10 Abs 1a Nr 2 EStG und § 22 Nr 1a EStG. Ist ein Abzug der wiederkehrenden Leistungen gemäß § 10 Abs 1a Nr 2 EStG nicht möglich, weil Zuwendungen gemäß § 12 Nr 2 EStG vorliegen, braucht der Empfänger die erhaltenen Leistungen nicht zu versteuern. Greift das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr 2 EStG dagegen nicht ein, weil eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen iSv § 10 Abs 1a Nr 2 EStG vorliegt, hat der Empfänger die Versorgungsleistungen gemäß § 22 Nr 1a EStG zu versteuern (Korrespondenzprinzip).

 

Rn. 33

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Ebenfalls im Einleitungssatz nicht genannt sind § 10 Abs 1a Nr 4 EStG (Ausgleichszahlungen iRd Versorgungsausgleichs) sowie § 10 Abs 1a Nr 3 EStG (Ausgleichszahlungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs). Dennoch greift § 12 EStG nicht ein, soweit die Zahlungen tatsächlich als Ausgleich im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich erbracht werden, weil diese speziellen Zahlungen von den Abzugsverboten in § 12 EStG nicht erfasst werden. Greift § 12 EStG ein, weil keine Ausgleichszahlungen iRd Versorgungsausgleichs oder zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs vorliegen, sondern Zuwendungen gemäß § 12 Nr 2 EStG gegeben sind, führt dies korrespondierend dazu, dass der Empfänger die Zahlungen nicht zu versteuern hat (§ 22 Nr 1a EStG).

 

Rn. 34

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Von der Vorrangklausel in dem Einleitungssatz sind auch die Vorschriften in §§ 10e, 10f, 10g, 10h u 10i EStG nicht erfasst. Wären die Abzugsverbote in § 12 EStG gegenüber diesen Vorschriften vorrangig, würden die Steuerbegünstigungen insgesamt leerlaufen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber Steuerbegünstigungen erlassen hat, die von vornherein keinen Anwendungsbereich haben. Deshalb geht die Literatur zutreffend davon aus, dass § 12 EStG insoweit nicht anwendbar ist (Thürmer in Blümich, § 12 EStG Rz 25 (Mai 2020); Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 12 EStG Rz 71 (Mai 2020)).

 

Rn. 35

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Zu § 4 Abs 4 EStG und § 9 EStG steht § 12 Nr 1 EStG in keinem Konkurrenz-, sondern in einem Komplementärverhältnis. Während § 4 Abs 4 EStG und § 9 EStG den Abzug erwerbsbezogener Aufwendungen erlauben, verbietet § 12 Nr 1 EStG den Abzug nicht erwerbsbezogener – privater – Aufwendungen. Rechtstheoretisch gibt es keine Überschneidungen. In der Praxis bestehen allerdings zwischen der FinVerw und dem StPfl häufig Meinungsverschiedenheiten darüber, welchem Bereich der fragliche Aufwand zuzuordnen ist.

 

Rn. 36

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Teilweise enthalten § 4 Abs 5 S 1 EStG und § 9 Abs 1 S 3 EStG Vorschriften, mit denen Aufwendungen, die bei einer entsprechend weiten Auslegung des § 12 EStG als privat veranlasst oder privat mitveranlasst angesehen werden könnten, dem betrieblichen oder beruflichen Bereich zugeordnet werden. Hierunter fallen zB Mehraufwendungen für Verpflegung (§ 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG iVm § 9 Abs 4a EStG), Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG iVm § 9 Abs 4 EStG), Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG) oder Aufwendungen für typische Berufskleidung (§ 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG). In diesen Fällen ist die gesetzliche Zuordnung der betreffenden Aufwendungen zur Erwerbssphäre vorrangig vor einer nach allg Kriterien vorgenommenen Subsumtion unter § 12 EStG (lex spezialis).

 

Rn. 37

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Der Anwendungsbereich von § 4 Abs 5 S 1 Nr 8 EStG (Geldbußen, Ordnungsgelder, Verwarngelder) und § 12 Nr 4 EStG (Geldstrafen und ähnliche strafrechtliche Rechtsfolgen) überschne...

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