1. Widerspruchsverfahren (Grundsteuerbescheid)

 

Rz. 500

[Autor/Stand] In Hessen ist für den Rechtsschutz gegen den GrSt-Bescheid der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Das abgabenrechtliche Einspruchsverfahren ist indes nicht anwendbar (vgl. § 1 Abs. 2 AO: danach gelten für Realsteuern nur § 351 (Rz. 503) und § 361 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AO; die übrigen Vorschriften des Einspruchsverfahren nach §§ 347 ff. AO werden nicht für anwendbar erklärt).

 

Rz. 501

[Autor/Stand] Vor Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den GrSt-Bescheid ist in Hessen ein verwaltungsrechtliches Vorverfahren durch Erhebung eines Widerspruchs durchzuführen (§§ 68 ff. VwGO). Ein Wegfall des Vorverfahrens ist nach hessischem Landesrecht nicht vorgesehen (vgl. § 16a HessAGVwGO).

 

Rz. 502

[Autor/Stand] Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des GrSt-Bescheids schriftlich bei der Ausgangsbehörde (Gemeindevorstand bzw. Magistrat als Verwaltungsbehörde der Gemeinde, § 66 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 2 HGO) einzulegen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Grundsätzlich könnte der Widerspruch auch bei der Widerspruchsbehörde eingelegt werden (§ 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Widerspruchsbehörde ist in Grundsteuerangelegenheiten allerdings mit der Ausgangsbehörde identisch (Rz. 506).

 

Rz. 503

[Autor/Stand] Die unselbständigen Besteuerungsgrundlagen des GrSt-Bescheids (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 AO i.V.m. § 157 Abs. 2 AO) sind als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im verwaltungsbehördlichen Widerspruchsverfahren grundsätzlich vollständig zu prüfen (§ 79 VwVfG i.V.m. §§ 68 ff. VwGO). Allerdings können im Rechtsbehelfsverfahren gegen den GrSt-Bescheid nicht alle die dem GrSt-Bescheid zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen überprüft werden. Denn im Verhältnis von GrSt-Messbescheids zu GrSt-Bescheid (Rz. 463, Rz. 484) ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 AO die Vorschrift des § 351 Abs. 2 AO anzuwenden. Danach können die im GrSt-Messbescheid (Grundlagenbescheid, Rz. 463) getroffenen Entscheidungen nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht aber durch Anfechtung des Folgebescheids (GrSt-Besch. Rz. 484) angegriffen werden.[5] Dies hat zur Folge, dass materiell-rechtliche Einwendungen gegen die im GrSt-Messbescheid getroffenen Festsetzungen (zB Einwendungen gegen die Höhe des Messbetrags, gegen die persönliche oder sachliche Steuerpflicht, Rz. 453, Rz. 455) im Widerspruchsverfahren gegen den GrSt-Bescheid nicht mehr berücksichtigt werden dürfen.[6]

 

Rz. 504

[Autor/Stand] Wegen des anzuwendenden § 351 Abs. 2 AO (Rz. 503) kann ein Widerspruch gegen die GrSt-Festsetzung – erfolgreich – also nur darauf gestützt werden, dass die Gemeinde Angaben aus dem GrSt-Messbescheid falsch übernommen hat (Rz. 479), sie einen unrichtigen Hebesatz angelegt hat oder (inzident) gegen die Haushaltssatzung[8] (zum Hebesatz) vorgegangen werden soll. Auch der Nichteintritt der Festsetzungsverjährung (Rz. 473) ist eine überprüfbare unselbständige Besteuerungsgrundlage.[9]

 

Rz. 505

[Autor/Stand] Hält die Ausgangsbehörde (Rz. 502) den Widerspruch für begründet, hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten (§ 72 VwGO).

 

Rz. 506

[Autor/Stand] Hilft die Ausgangsbehörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid (§ 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Widerspruchsbehörde ist in Grundsteuerangelegenheiten mit der Ausgangsbehörde identisch. Denn nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO erlässt in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde den Widerspruchsbescheid. Die (Selbst-)Verwaltungsbehörde ist nach § 66 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 2 HGO in den kreisfreien und kreisangehörigen Städten der Magistrat und in den kreisangehörigen Gemeinden der Gemeindevorstand. Diese Behörden entsprechen der Ausgangsbehörde (Rz. 502).

 

Rz. 507

[Autor/Stand] Bei der Grundsteuerfestsetzung und -erhebung handelt es sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO. Denn nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG umfasst die Gewährleistung der Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Konkretisiert wird diese finanzielle Eigenverantwortung in Hessen durch § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGO dahingehend, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen u.a. aus Steuern zu beschaffen hat. So gesehen wurde der Gemeinde zwar durch Landesgesetz die Aufgabe zur Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer übertragen (§ 1 RealStFestGemZuStG HE, Rz. 476, Rz. 483). Zugleich bietet diese Aufgabenübertragung der Gemeinde aber auch erst die Möglichkeit, die notwendigen (Steuer-)Einnahmen – hier die GrSt – aus eigener Verantwortung zu beschaffen.

 

Rz. 508

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[5] Allg. Meinung, z.B. VGH BW v. 17.10.2013 – 2 S 692/13, KStZ 2014, 72, unter a.
[6] BVerwG v. 17.1.1980 – 7 C 56/78, HFR 1981, 285.
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[8] Die Haushalts- bzw. eine separate Hebesatzsatzung könnte in Hessen au...

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