a) Maßgeblichkeit des Belastungsgrundes und Abgrenzung zur Vermögensteuer

 

Rz. 29

[Autor/Stand] Der steuerrechtliche Zugriff auf den Grundbesitz wird im Grundgesetz vorausgesetzt.[2] Schon aus diesem Grund bedarf die Grundsteuer keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.[3] Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Steuer dem Grunde nach ist aber nicht mit der Frage nach einem zulässigen (steuerartspezifischen) Belastungsgrund gleichzusetzen. Vielmehr muss der mit der Steuer einhergehende Belastungsgrund seinerseits verfassungsrechtlich zulässig sein, d.h. die Steuer muss sich im Belastungsgrund von anderen Steuern (rechtserheblich) unterscheiden.[4] Dazu muss der mit der jeweiligen Steuer verfolgte Belastungsgrund erkennbar gemacht werden.[5] Dies erfordert aber keine maßstabsbildende Festschreibung des Belastungsgrunds im jeweiligen Einzelsteuergesetz.[6] Ausreichend ist vielmehr, dass sich der Belastungsgrund aus den grundsätzlichen Regelungen zur Ermittlung der Steuer (Hauptmaßstab) ableiten lässt.[7] Dabei sind zu seiner Bestimmung auch die Motive des Gesetzgebers heranzuziehen, die sich maßgeblich aus den Gesetzesmaterialien ergeben.

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Im Rahmen der landesrechtlichen Konzeptionsfreiheit bei der Abweichungsgesetzgebung (Rz. 3) kommt der Wahl des Belastungsgrundes der Grundsteuer eine zentrale und für die weitere verfassungsrechtliche Beurteilung (legislative Sekundärentscheidung, Rz. 38 ff.) weichenstellende Bedeutung zu. Im Rahmen dieser Wahlfreiheit folgt das Hessische Grundsteuergesetz für die Besteuerung der Grundstücke des Grundvermögens im Rahmen der legislativen Primärentscheidung dem allgemeinen Äquivalenzprinzip.[9] Dies wurde zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus den Gesetzesmaterialien[10] und dem Hauptmaßstab zur wertunabhängigen Ermittlung des Steuermessbetrags (§ 4 Abs. 1 HGrStG). Damit grenzt sich die Hessische Grundsteuer zunächst im rechtfertigenden Grund von der zwingend wertorientierten Vermögensteuer, als ebenfalls eine an den Grundbesitz anknüpfende Steuer ab. Damit besteht für die Hessische Grundsteuer nicht nur hinreichende Klarheit über den gewählten Belastungsgrund, sondern auch eine hinreichende Unterscheidbarkeit gegenüber der – seit 1.1.1997 nicht mehr erhobenen,[11] aber im Grundgesetz weiterhin vorausgesetzten (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG) – Vermögensteuer. Offenbleiben kann daher, ob sich die Grundsteuer im Belastungsgrund von der Vermögensteuer unterscheiden muss.[12]

[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[2] Art. 105 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG (Regelungen über die Gesetzgebungsbefugnis); Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG (Regelung über die Ertragshoheit) und Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG (Regelung über das Hebesatzrecht der Gemeinden); Art. 125b Abs. 3 GG (zeitlicher Anwendungsbereich für die Länderöffnungsklausel).
[4] Z.B. BVerfG, Beschl. v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, unter B.I.5.b. (Abgrenzung Zweitwohnungsteuer und Grundsteuer); Schmidt, DStR 2020, 249 (253).
[5] Z.B. BVerfG, Beschl. v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, unter B.I.1.; BVerfG, Beschl. v. 23.6.2015 – BvL 13/11 u.a., BVerfGE 139, 285, Rz. 73; BVerfG, Urt. v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14 u.a., BVerfGE 148, 147, Rz. 97 f., 131, 168.
[6] Dazu für die Grundsteuer: Kirchhof, DStR 2020, 1073 (1082).
[Autor/Stand] Autor: Schulze, Stand: 01.05.2022
[9] Zum Äquivalenzprinzip: Schmehl, DStJG 35 (2012), 249 (283 ff.); Scheffler/Roith, ifst-Schrift 526 (2018), S. 30 ff.; Kirchhof, DStR 2018, 2661; Freund, FR 2019, 931 (938).
[10] Gesetzesentwurf der Hess. Landesregierung v. 14.9.2021 – HGrStG –, LT-Drucks. 20/6379, S. 12–14, 17.
[11] Aufgrund des Beschl. des BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121) wird die Vermögensteuer (VStG v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 949 i.d.F der Bekanntmachung v. 14.11.1990, BGBl. I 1990, 2467) seit 1.1.1997 nicht mehr erhoben. Der Gesetzgeber hat die vom BVerfG angeordnete Pro-Futuro-Reformpflicht verstreichen lassen. Damit ist das VStG mit Ablauf der gesetzten Reformfrist (31.12.1996) außer Kraft getreten. Förmlich wurde das VStG dagegen bis heute nicht aufgehoben (zu den politischen Versuchen, vgl. z.B. Art. 5 des Gesetzesentwurf (JStG 1997) der Reg.-Fraktionen, BT-Drucks. 13/4839, S. 23 u. 72 f. und Bericht des BT-Fz, BT-Drucks. 13/5952, S. 23 ff.).
[12] Vgl. dazu auch Kirchhof, DStR 2020, 1073 (1074).

b) Äquivalenzprinzip als Belastungsgrund bei der Hessischen Grundsteuer

aa) Allgemeines Äquivalenzprinzip beim Flächen-Faktorverfahren

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Das BVerfG hat für den Belastungsgrund bei der Grundsteuer (Leistungsfähigkeits- oder Äquivalenzprinzip) bisher keine konkreten Vorgaben gemacht. Insbesondere ist eine wertbezogene Bemessungsgrundlage nicht zwingend erforderlich.[2] Hieraus erklärt sich die Vielfalt verschiedener Grundsteuermodelle[3] (Rz. 4 f.). Hessen stützt die Grundsteuer für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens auf wertunabhängige Parameter. Die in Euro-Beträgen ausgewiesenen Äquivalenzzahlen ...

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