Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzuständigkeit konkurrierender Einigungsstellen zum Gesundheitsschutz. "Mobbing" im Sinne psychischer Gefährdung der Beschäftigten als Regelungsgegenstand der Einigungsstelle "Arbeits- und Gesundheitsschutz". Unbegründeter Feststellungsantrag des Betriebsrats zur Unwirksamkeit eines Unzuständigkeitsbeschlusses der Einigungsstelle "Schutz vor Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Mobbing sowie zur Förderung des respektvollen Zusammenarbeitens und partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz und im Betrieb"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einigungsstelle kann nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit entscheiden und hat deshalb zunächst über die Frage ihrer Zuständigkeit selbst entscheiden; kommt die Einigungsstelle zu dem Ergebnis, dass sie im konkreten Fall unzuständig ist, hat sie einen entsprechenden Beschluss zu fassen und das Verfahren einzustellen.

2. Eine ungekündigte Betriebsvereinbarung sperrt den durch sie geregelten Gegenstand mit der Folge, dass eine Einigungsstelle für die Neuregelung desselben Gegenstands unzuständig ist; im Falle einer Entscheidung durch eine Einigungsstelle gilt nicht wie bei der einvernehmlichen Abänderung einer geltenden Betriebsvereinbarung der Grundsatz der Vertragsfreiheit oder das im Verhältnis von Betriebsvereinbarungen grundsätzlich geltende Ablösungsprinzip sondern es geht darum, ob eine bestehende Betriebsvereinbarung im Fall der Nichteinigung der Betriebsparteien durch Antrag einer Seite im Wege der Zwangsschlichtung von der Einigungsstelle abgeändert werden kann.

3. Dieser Grundsatz gilt auch für konkurrierende Einigungsstellen.

4. Besteht bereits eine Einigungsstelle zum Thema "Arbeits- und Gesundheitsschutz", erstreckt sich die Zuständigkeit dieser Einigungsstelle grundsätzlich auch auf "Mobbing"; eine Abgrenzung zu einer weiteren Einigungsstelle "Schutz vor Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Mobbing sowie zur Förderung des respektvollen Zusammenarbeitens und partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz und im Betrieb" ist nicht möglich, da es in beiden Einigungsstellen jeweils um den Bereich Gesundheitsschutz geht.

5. Mobbing bezieht sich vor allem auf psychische Gefährdungen der Beschäftigten und nicht in erster Linie auf physische wie etwa durch fehlerhafte ergonomische Gestaltungen der Arbeitsplätze; da Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG als Grundlage des Suchprozesses für eine arbeitsschutzkonforme Ausgestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitsumgebung auch psychische Gefährdungen umfassen, sind insoweit vom Betriebsrat erkannte Gefährdungen in der Einigungsstelle "Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit" einzubringen.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 2, 1 Nrn. 7, 1; ArbSchG § 4 Nr. 4; BetrVG § 76; ArbSchG § 5; ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 30.10.2012; Aktenzeichen 9 BV 20/12)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 23.02.2016; Aktenzeichen 1 ABR 18/14)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des zu 1. beteiligten Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 30.10.2012 - 9 BV 20/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt u. a. in Magdeburg das Kino "C... M... Antragsteller ist der dort bestehende Betriebsrat (fortan: Betriebsrat). Dieser begehrt sowohl in erster als auch in zweiter Instanz die Feststellung, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Oktober 2011 zum Regelungsgegenstand "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Schutz vor Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Mobbing sowie zur Förderung des respektvollen Zusammenarbeitens und partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz und im Betrieb" unwirksam ist.

Der Betriebsrat hat die Betriebsvereinbarung zum sozialen Umgang im Betrieb vom 30. September 2008 (Bl. 11 - 16 d. A.) gekündigt. Durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Mai 2011 - 4 TaBV 29/10 - ist der Richter am Arbeitsgericht Stendal N... W. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Schutz vor Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Mobbing sowie zur Förderung des respektvollen Zusammenarbeitens und partnerschaftlichen Verhaltens am Arbeitsplatz und im Betrieb" bestellt worden; die Zahl der Beisitzer/innen ist auf zwei für jede Seite festgesetzt worden (vgl. zu den Einzelheiten dieses Beschlusses Bl. 17 - 23 d. A.).

Sodann fand die Sitzung der Einigungsstelle am 25. Oktober 2011 in Magdeburg statt. Wegen des Inhaltes und des Verlaufs dieser Sitzung wird auf das diesbezügliche Protokoll (Bl. 25 - 28 d. A.) verwiesen. Die Einigungsstelle hat sich mit Beschluss vom selben für unzuständig erklärt und das Verfahren eingestellt. Wegen der Begründung des dieses Spruchs wird auf Bl. 29 - 33 der Akte verwiesen.

Zu diesem Zeitpunkt war das bereits seit dem Jahre 2010 im selben Betrieb Magdeburg laufende Einigungsstel...

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