Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung bei fehlerhafter kaufmännischer Tätigkeit. Täuschung des Arbeitgebers und des Kreditgebers durch Erstellen verfälschter Abrechnungen. Rücksichtnahmepflicht im Arbeitsverhältnis. Fehlende Eignung des Arbeitnehmers aufgrund außerdienstlichem Fehlverhalten

 

Leitsatz (amtlich)

Das Verfälschen über das eigene Arbeitsverhältnis erstellter Abrechnungen zwecks Täuschung eines Kreditgebers kann die persönliche Eignung des Arbeitnehmers für die ihm übertragenen Aufgaben jedenfalls dann in Frage stellen, wenn im Rahmen einer kaufmännischen Tätigkeit gerade die Vertragsanbahnung zu den Arbeitsaufgaben gehört. Das Herstellen verfälschter Abrechnungen und deren Verwendung im Rechtsverkehr verletzt zugleich die gegenüber dem Arbeitgeber begründete Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Ein derartiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1, § 241 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1; GewO § 108 Abs. 1; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 11.09.2019; Aktenzeichen 6 Ca 326/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 11. September 2019 - 6 Ca 326/19 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen eines streitigen außerdienstlichen Verhaltens.

Der 1992 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger, der über eine kaufmännische Ausbildung verfügt, war seit dem 1. Oktober 2016 bei der Beklagten als Kundenberater beschäftigt. Die Beklagte ist Vertriebspartnerin der A AG in der Mobilfunksparte. Sie betreibt bundesweit ca. 50 entsprechende Shops und hat insgesamt rund 150 Beschäftigte. Es ist ein Betriebsrat gewählt, der zum hier fraglichen Zeitpunkt unter dem Vorsitz des Zeugen C stand. Der Einsatz des Klägers erfolgte durchgängig im Shop D. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche, zunächst befristete Arbeitsvertrag vom 15. September 2016 (Bl. 17 ff d. A.) zugrunde, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Vereinbarung vom 28. März 2017 (Bl. 24 d. A.) entfristeten die Parteien das Arbeitsverhältnis und erhöhten das monatliche Fixum auf 1.500,00 € brutto. Zuzüglich schwankender Verkaufs- und Bestandsprovisionen erzielte der Kläger zuletzt ein Monatseinkommen in Höhe von rund 2.500,00 € brutto.

Die Provisionsleistungen bezog der Kläger aus der Vermittlung oder Verlängerung von Mobilfunkverträgen an bzw. gegenüber Privatkunden, wozu auch die Ausgabe von im Shop vorrätigen hochwertigen Smartphones gehörte. Insoweit war es im Rahmen der Verkaufsgespräche Aufgabe des Klägers, die Identität der Kunden festzustellen und die zum Vertragsschluss erforderlichen persönlichen Daten aufzunehmen. Den entsprechenden Abschluss vollzog der Kläger, nach Datenprüfung durch das Mobilfunkunternehmen, eigenständig, teilweise aber auch unter Einbindung des örtlichen Shopleiters. Dieser war infolge der Arbeit in Schichten oder in Krankheitsfällen bzw. Urlaub jedoch nicht ständig anwesend, nahm dann aber nach Angaben des Klägers in regelmäßigen Intervallen Kontrollen der von diesem abgeschlossen Verträge vor.

Über die monatliche Vergütung erteilte die Beklagte dem Kläger detaillierte Abrechnungen, welche das Fixum und die einzelnen Provisionsbestandteile auswiesen. Insoweit wird exemplarisch auf die Abrechnung für Dezember 2017 (Bl. 48 d. A.) Bezug genommen, die sich über einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 2.935,85 € verhält. Mit der Erstellung der Abrechnungen war die Zeugin B befasst.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2019, bei der Beklagten eingegangen am 23. Januar 2019, wandte sich die Polizeibehörde L an die Beklagte und teilte mit, dass im Rahmen von Ermittlungen in einem Betrugsverfahren Gehaltsabrechnungen über das Arbeitsverhältnis des Kläger relevant wären, die zum Zwecke der Erlangung eines Darlehns vorgelegt worden seien. Diese Abrechnungen über die Monate Oktober bis Dezember 2017 ließen die Beklagte als Ausstellerin erkennen und verhielten sich über ein monatliches Festgehalt in Höhe von 4.440,00 € brutto (vgl. Abrechnung Dezember 2017, Bl. 49 d. A.). Insoweit sei zeugenschaftlich mitzuteilen, ob die fraglichen Abrechnungen von der Beklagten ausgestellt und inhaltlich korrekt seien. Deren Fälschung stehe im Raume.

In diesem Zusammenhang ist unstreitig, dass der Kläger gegen Ende des Jahres 2017 ein Wohngebäude erwerben und den Kauf nahezu vollständig finanzieren wollte. Ein Teilbetrag in Höhe von 50.400,00 € sollte dabei über ein Nachrangdarlehn der F Bank L abgedeckt werden. Diese Kreditanfrage lief über die E GmbH M als Vermittlerin, die wiederum von der primär zwecks Finanzierung angefragten Commerzbank als Untervermittler, dortiger Ansprechpartner G (N), eingebunden worden war. D...

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