Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherungsfall. wirtschaftliche Notlage. Altersversorgung. Unterstützungskasse. Freiwilligkeitsvorbehalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der in einer Satzung einer Unterstützungskasse geregelte Freiwilligkeitsvorbehalt ist als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen zu deuten, der nur bei wirtschaftlicher Notlage im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG a.F. eingreift.

2. Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist in aller Regel kein Grund dafür, sich von einer übernommenen Zahlungspflicht zu lösen (Anschluss an BAG Urteil v. 17.06.2003 – 3 AZR 396/02).

 

Normenkette

BetrAVG a.F. § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Lörrach (Urteil vom 22.07.2005; Aktenzeichen 6 Ca 9/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 22.07.2005, Az. 6 Ca 9/05, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Betriebsrentenansprüche der Klägerin.

Bei der Beklagten zu 1 handelt es sich um eine rechtlich selbständige Unterstützungskasse, die von der Beklagten zu 2 als dem Trägerunternehmen eingerichtet worden war.

Die am 25.05.1944 geborene Klägerin war vom 13.10.1969 bis zum 31.03.1983 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 beschäftigt. Während ihres Beschäftigungsverhältnisses erhielt die Klägerin eine Rentenzusage, schriftliche Unterlagen hierüber existieren allerdings nicht, auch der Zeitpunkt der Zusage und deren Aussteller können nicht festgestellt werden.

Als die Klägerin am 31.03.1983 bei der Beklagten zu 2 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, erhielt sie von der Beklagten zu 1 ein Bestätigungsschreiben, wonach ihr eine anteilige Betriebsrente in Höhe von DM 47,00 (= EUR 24,03) zustehe mit dem Vermerk: „Änderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen – gleich welcher Art – für die betriebliche Altersversorgung, die nach Ihrem Ausscheiden eintreten, berühren die Berechnung des zeitanteiligen Ruhegeldes nicht”. Mit Schreiben vom 15.09.1998 teilte die Beklagte zu 2 der Klägerin mit, sie habe Anspruch erst nach Vollendung des 59. Lebensjahres auf Antrag unter Vorlage des Rentenbescheids.

Ab 01.06.2004 bezieht die Klägerin Altersrente für schwer behinderte Menschen. Sie übersandte mit Schreiben vom 20.04.2004 der Beklagten zu 2 ihren Rentenbescheid und beantragte Auszahlung der Betriebsrente. Dies wurde ihr von der Beklagten zu 2 jedoch verweigert.

Die Klägerin, die die Auffassung vertritt, sie habe einen Rentenanspruch in zugesagter Höhe ab 01.06.2004 gegen beide Beklagten, hat b e a n t r a g t:

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 192,24 EUR

    nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins

    aus 24,03 EUR seit dem 01.06.2004

    aus 48,06 EUR seit dem 01.07.2004

    aus 72,09 EUR seit dem 01.08.2004

    aus 96,12 EUR seit dem 01.09.2004

    aus 120,15 EUR seit dem 01.10.2004

    aus 144,18 EUR seit dem 01.11.2004

    aus 168,21 EUR seit dem 01.12.2004

    aus 192,24 EUR seit dem 01.01.2005 zu bezahlen.

  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin monatlich 24,03 EUR Betriebsrente zu bezahlen.

Die Beklagten haben

Klagabweisung

b e a n t r a g t

und vorgetragen, in der Satzung der Beklagten zu 1 sei auf die Freiwilligkeit der Versorgungsleistung hingewiesen worden. Im Hinblick darauf bestehe ein Anspruch der Klägerin nicht mehr, nachdem die Geschäftsgrundlage für die Altersversorgungszusage entfallen sei. Im Jahr 2003 nämlich sei das Vermögen der Beklagten zu 1 völlig aufgebraucht gewesen, worauf die Versorgungsleistungen eingestellt worden seien. Auch die Beklagte zu 2 sei außer Stande, die Versorgungsleistungen zu erbringen. Sie habe mehrere Jahre lang erhebliche Verluste erwirtschaftet, außerdem habe sich das Verhältnis zwischen aktiven Arbeitnehmern und Betriebsrentnern zwischen 1969 und 2000 geradezu umgekehrt. Statt ursprünglichen 500 Arbeitnehmern seien nunmehr nur noch 100 beschäftigt, denen 237 Anwartschaftsberechtigte und Leistungsempfänger gegenüber stünden.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klagebegehren entsprochen. Es hat eine Rentenzusage der Beklagten zu 1 spätestens in der Erteilung der Betriebsrentenauskunft vom 31.03.1983 festgestellt und darüber hinaus angenommen, dass auch die Beklagte zu 2 für die Verpflichtung aus der Zusage auf betriebliche Altersversorgung einstehen müsse. Bei der eingetretenen Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu 1 treffe die Beklagte zu 2 als Arbeitgeberin der Klägerin wegen der Grundverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis die Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs bei Unterstützungskassenzusagen, wie er sich in der Satzung der Beklagten zu 1 finde, könne lediglich als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen anerkannt werden. Ein solcher Widerruf unverfallbarer und insolvenzgeschützter Anwartschaften sei schon nach früher...

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