Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherungsfall. wirtschaftliche Notlage. Altersversorgung. Unterstützungskasse. Freiwilligkeitsvorbehalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der in einer Satzung einer Unterstützungskasse geregelte Freiwilligkeitsvorbehalt ist als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen zu deuten, der nur bei wirtschaftlicher Notlage im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 BetrAVG a.F. eingreift.

2. Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist in aller Regel kein Grund dafür, sich von einer übernommenen Zahlungspflicht zu lösen (Anschluss an BAG Urteil v. 17.06.2003 – 3 AZR 396/02).

 

Normenkette

BetrAVG a.F. § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Lörrach (Urteil vom 18.10.2005; Aktenzeichen 4 Ca 212/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.07.2007; Aktenzeichen 3 AZR 373/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 18.10.2005, Az. 4 Ca 212/05, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Betriebsrentenansprüche des Klägers.

Bei der Beklagten zu 2 handelt es sich um eine rechtlich selbständige Unterstützungskasse, die von der Beklagten zu 1 als dem Trägerunternehmen eingerichtet worden war.

Der am 31.01.1936 geborene Kläger war von 1963 bis 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1 beschäftigt. Während seines Beschäftigungsverhältnisses erhielt der Kläger eine Rentenzusage, schriftliche Unterlagen hierüber existieren allerdings nicht, auch der Zeitpunkt der Zusage und deren Aussteller können nicht festgestellt werden. Unter dem 03.04.1996 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung, wonach ihm bekannt sei, dass alle Leistungen der Unterstützungskasse freiwillig gewährt würden und durch sie kein Anspruch erwachse (Bl. I, 21 d. Akte).

Der Kläger hat nach seinem Ausscheiden im Jahre 1993 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von zuletzt EUR 50,11 von der Beklagten zu 2 bezogen. Unter dem 26.11.2003 allerdings teilte die Beklagte zu 2 dem Kläger mit, ihre Kasse sei leer, die betriebliche Altersversorgung könne künftig nicht mehr bezahlt werden. Dementsprechend stellte sie die Zahlungen an den Kläger seit November 2003 ein.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die bislang gezahlte Rente auch weiterhin zu. Schließlich habe er die dafür versprochene Arbeitsleistung vollständig erbracht. Ein Widerruf der Rentenzusage sei nicht zulässig, der Freiwilligkeitsvorbehalt ohne rechtliche Bedeutung, von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage könne nicht ausgegangen werden.

Der Kläger hat die Rentenansprüche ab Dezember 2003 für 20 Monate (also bis Juli 2005) beziffert eingeklagt und im Übrigen die weiteren Ansprüche feststellend geltend gemacht.

Er hat b e a n t r a g t:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger EUR 851,87 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
  2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere EUR 150,33 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
  3. Es wird festgestellt, dass dem Kläger monatlich eine betriebliche Versorgungsleistung von EUR 50,11 netto zusteht.

Die Beklagten haben

Klagabweisung

b e a n t r a g t

und vorgetragen, in der Satzung der Beklagten zu 2 sei auf die Freiwilligkeit der Versorgungsleistung hingewiesen worden. Im Hinblick darauf bestehe ein Anspruch des Klägers nicht mehr, nachdem die Geschäftsgrundlage für die Altersversorgungszusage entfallen sei. Im Jahr 2003 nämlich sei das Vermögen der Beklagten zu 2 völlig aufgebraucht gewesen, worauf die Versorgungsleistungen eingestellt worden seien. Auch die Beklagte zu 1 sei außer Stande, die Versorgungsleistungen zu erbringen. Sie habe mehrere Jahre lang erhebliche Verluste erwirtschaftet, außerdem habe sich das Verhältnis zwischen aktiven Arbeitnehmern und Betriebsrentnern zwischen 1969 und 2000 geradezu umgekehrt. Statt ursprünglichen 500 Arbeitnehmern seien nunmehr nur noch 100 beschäftigt, denen 237 Anwartschaftsberechtigte und Leistungsempfänger gegenüber stünden.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klagebegehren entsprochen. Es hat einen Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 seit 1993 als unstreitig bestehend festgestellt und darüber hinaus angenommen, dass auch die Beklagte zu 1 für die Verpflichtung aus der Zusage auf betriebliche Altersversorgung einstehen müsse. Bei der eingetretenen Leistungsunfähigkeit der Beklagten zu 2 treffe die Beklagte zu 1 als Arbeitgeberin des Klägers wegen der Grundverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis die Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs bei Unterstützungskassenzusagen, wie er sich in der Satzung der Beklagten zu 2 finde, könne lediglich als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen anerkannt werden. ...

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