§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 1 AStG fingiert eine Veräußerung i. S. d. § 17 EStG, wenn eine Person im Falle des Wegzugs aus der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ausscheidet, weil sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufgibt.[1] Maßgeblicher Zeitpunkt der Veräußerung ist "die letzte Sekunde" bevor die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland beendet wird.

Voraussetzung für eine Veräußerung i. S. d. § 17 EStG ist, dass der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Dies betrifft Kryptowährungen dann, wenn sie über Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG) gehalten werden, z. B. in einer Holding und eine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von mindestens 1 % besteht. Direkt gehaltene Kryptowährungen im Privatvermögen unterliegen nicht der Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG, da die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft fingiert wird.

Darüber hinaus knüpft § 6 AStG eine weitere Voraussetzung an die Person des Steuerpflichtigen. Dieser muss eine natürliche Person sein, die innerhalb der letzten 12 Jahre mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war.

Steuerlich bildet der gemeine Wert nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i. V. m. §§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, 11 Abs. 2 BewG den fiktiven Veräußerungspreis. Ermittelt wird dieser nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG entweder aus Vergleichswerten aus Verkäufen an fremde Dritte, die weniger als ein Jahr zurückliegen oder anhand eines geeigneten Bewertungsverfahrens (z. B. vereinfachtes Ertragswertverfahren oder IDW S1). Sollte jedoch nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert der Anteile höher sein, kommt dieser zwingend zum Ansatz. Von dem ermittelten gemeinen Wert (= fiktiver Veräußerungspreis) sind die Anschaffungskosten der Anteile sowie die während der Haltedauer geleisteten Einlagen abzuziehen. Der verbleibende Saldo bildet die Steuerbemessungsgrundlage, die zu 60 % mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern ist.[2]

 
Hinweis

Fiktive Veräußerung birgt Probleme

Diese fiktive Veräußerung ist insbesondere deshalb problematisch, weil keine Liquidität für Steuerzahlungen zufließt und unter Umständen nur Buchgewinne besteuert werden. Darüber hinaus ist grds. nicht garantiert, dass der Zuzugsstaat im Falle des echten Verkaufs nicht auch die gesamte Wertsteigerung (vereinfacht dargestellt: Verkaufspreis abzüglich ursprüngliche Anschaffungskosten) besteuert. Dies würde zu einer unangemessenen Doppelbesteuerung führen, da Deutschland bereits die Wertsteigerung bis zum Wegzug besteuert hat.

[1] § 6 AStG kennt noch weitere Veräußerungs- bzw. (Ersatz-)Realisationstatbestände wie die unentgeltliche Übertragung von Anteilen i. S. d. § 17 EStG auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person sowie den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile i. S. d. § 17 EStG. Letztgenannter Veräußerungs- bzw. (Ersatz-)Realisationstatbestand ist vor allem dann zu beachten, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht nicht beendet wird und es beispielsweise in Folge einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland kommt.
[2] Das sog. Teileinkünfteverfahren, nachdem lediglich 60 % des Veräußerungsgewinns zu versteuern ist, findet lediglich bei der Ermittlung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages Anwendung. Bei der Berechnung der Kirchensteuer wird das Teileinkünfteverfahren nicht angewandt, sodass 100 % des Veräußerungsgewinns zu versteuern sind, vgl. § 51a Abs. 2 Satz 2 Abs. 6 EStG.

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