Rz. 111

[Autor/Stand] Der Grundsatz, dass auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung zu entscheiden ist (§ 264 StPO i.V.m. § 46 OWiG), wird im Interesse einer weiteren Verfahrensvereinfachung eingeschränkt. Im Ausnahmefällen darf das Gericht im schriftlichen Verfahren durch Beschluss entscheiden (§ 72 OWiG ). Als Anreiz für die Zustimmung zur Entscheidung ohne Hauptverhandlung erhält der Verteidiger eine zusätzliche Gebühr (vgl. Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 5 VV-RVG)[2].

Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält. Dies ist dann der Fall, wenn der Sachverhalt aufgrund der schriftlichen Unterlagen hinreichend geklärt ist oder nur Rechtsfragen zu entscheiden sind[3]. Liegen Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vor, scheidet das Beschlussverfahren aus, da die Entscheidung durch Beschluss die spätere Strafverfolgung hindert (§ 84 Abs. 2 OWiG) und damit eine gründliche Sachaufklärung angezeigt ist[4].

Das schriftliche Verfahren ist ferner nur dann zulässig, wenn weder der Betroffene noch die StA diesem Verfahren widerspricht. Auf das Widerspruchsrecht sind diese Verfahrensbeteiligten ausdrücklich durch das Gericht hinzuweisen; die Erwähnung des Beschlussverfahrens im Bußgeldbescheid (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b OWiG) genügt also nicht.

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in diesem wie im sonstigen gerichtlichen Bußgeldverfahren kann mit der Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG gerügt werden (s. Rz. 117).

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Der Inhalt des Beschlusses stimmt mit dem eines Strafurteils überein (vgl. dazu im Einzelnen § 72 Abs. 24 OWiG). Besonders zu betonen ist allerdings, dass gem. § 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG hier – im Unterschied zur Hauptverhandlung – das Verbot der Schlechterstellung gilt. Unzulässig ist daher z.B. die Erhöhung der Geldbuße. Eine Schlechterstellung bedeutet es dagegen nicht, wenn das Gericht den Tatbestand einer anderen Steuerordnungswidrigkeit für erfüllt ansieht[6]. Von einer Begründung des Beschlusses kann abgesehen werden, wenn die Beteiligten darauf verzichten (§ 72 Abs. 6 OWiG).

Führt das AG ein Beschlussverfahren durch, so hat dies auf die Beteiligungsrechte der FinB (s. Rz. 112) keinen Einfluss.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.02.2022
[2] Vgl. dazu Burhoff, RVGreport 2015, 82.
[3] Seitz/Bauer in Göhler18, § 72 OWiG Rz. 2.
[4] Seitz/Bauer in Göhler18, § 72 OWiG Rz. 9.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.02.2022
[6] Senge in KK5, § 72 OWiG Rz. 59; Rebmann/Roth/Herrmann, § 72 OWiG Rz. 24; a.A. Wittschier, StV 1986, 173 (175) zur Abänderbarkeit des Schuldspruchs.

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