Rz. 198

[Autor/Stand] Trotz der Anknüpfung an einen "Vorverdacht" werden die Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO von der Rspr. und der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur und im Anschluss an die Begründung des Finanzausschusses[2] als Teil der allgemeinen Steueraufsicht nach § 85 AO angesehen, mithin dem Besteuerungsverfahren und nicht dem Strafverfahren zugeordnet[3]. Der Steufa stehen hierbei die Rechte und Eingriffsbefugnisse der FinB zur Verfügung (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO); zudem ist sie – ebenso wie bei den steuerlichen Ermittlungen i.S.d. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO – von einigen sonst für das Steuerermittlungsverfahren geltenden Beschränkungen freigestellt (§ 208 Abs. 1 Satz 3 AO). So gelten z.B. die Einschränkungen der Beweismittel-Reihenfolge des § 93 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AO und des § 97 Abs. 2 und 3 AO nicht. Das bedeutet, dass die Vorbefragungspflicht der Beteiligten entfällt und Dritte sofort zur Auskunftserteilung und Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden angehalten werden können. Diese gegenüber dem regulären Besteuerungsverfahren und der Außenprüfung noch weiterreichenden Ermittlungsbefugnisse haben im Rahmen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nur Sinn, wenn sie allein dem steuerlichen Zweck dienen, unbekannte Steuerfälle "auszuforschen".

 

Rz. 199

[Autor/Stand] Die Einordnung, Vorfeldermittlungen haben steuerlichen Rechtscharakter, wurde seitens des Gesetzgebers durch die Einfügung des § 93 Abs. 1a AO mit Wirkung vom 25.6.2017 unterstrichen, demnach das Sammelauskunftsverfahren zur Ermittlung unbekannter Steuerpflichtiger nunmehr auch bei den allgemeinen Steuerbehörden (nicht nur bei der Fahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO) zulässig ist[5].

 

Rz. 200

[Autor/Stand] In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass an die Aufnahme von Vorfeldermittlungen höhere Anforderungen zu stellen seien, als an die Einleitung eines Besteuerungsverfahrens. Die Steufa wird allein als Strafverfolgungsorgan angesehen[7]. In der Folge soll den Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO lediglich eine strafverfahrensrechtliche Relevanz zukommen[8]. Greift dann bereits die Aufgabenzuweisung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, erscheinen danach Vorfeldermittlungen nach Nr. 3 überflüssig[9]. Dem widersprechen jedoch die Systematik des § 208 Abs. 1 AO und die gesetzgeberische Zielrichtung, die Steufa gerade "im Vorfeld" dazu tätig werden zu lassen (s. Rz. 24 f., 195).

[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[2] BT-Drucks. 7/4292, 36.
[3] Vgl. BFH v. 6.2.2001 – VII B 277/00, BStBl. II 2001, 306 = EWiR 2001, 529 (Steiner) = ZIP 2001, 455; Klaproth in Schwarz/Pahlke, § 208 AO Rz. 39; Seer in Tipke/Kruse, § 208 AO Rz. 26 f.; Roth in Rolletschke/Kemper/Roth, § 404 AO Rz. 86; Jäger in JJR9, § 397 AO Rz. 66 (9. Aufl. online); Wendeborn, Recht der Steuerfahndung, 1989, S. 84; Klos, wistra 1988, 92 (93); s. auch AEAO zu § 85 Nr. 1.
[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[5] Haselmann in Koenig4, § 93 AO Rz. 8.
[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[7] Rüping, DStR 2002, 2020 (2021); Rüping, DStZ 1980, 179 (182); Hamacher, DStZ 1988, 217.
[8] So Hellmann, Das Neben-Strafverfahrensrecht, 1995, S. 271.
[9] Hellmann, Das Neben-Strafverfahrensrecht, 1995, S. 276 hält daher die Regelung für gänzlich überflüssig; vgl. zur Problematik Seer in Tipke/Kruse, § 208 AO Rz. 26; Henneberg, BB 1986, 921 (923).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge