Rz. 195

[Autor/Stand] Da die Steufa nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO des Weiteren für die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle zuständig ist, wird sie bereits in einer der Aufklärung von Steuerzuwiderhandlungen vorgelagerten Phase tätig. Man spricht von sog. Vorfeldermittlungen (Nr. 12 AStBV (St) 2022; s. AStBV Rz. 12). Damit soll sichergestellt werden, dass die FinB auch von Steuerfällen, in denen entweder der potentielle Stpfl. oder der steuerrechtlich relevante Sachverhalt oder beides unbekannt ist[2], Kenntnis erlangen. Die Fahndung soll nach der Intention des Gesetzgebers[3] unabhängig von der primären Aufgabe nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO tätig werden und durch Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im "Vorfeld" Steuerverkürzungen verhindern und somit dazu beitragen, das verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Vollzugs der Steuergesetze zu verwirklichen (s. Rz. 20 ff.). Streck[4] stellte 1995, damals zutreffend, fest, dass Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen und es zum Selbstverständnis der Steuerfahndung gehören würde, ausschließlich nur dann zu ermitteln, wenn ein konkreter Verdacht bzgl. einer Steuerstraftat bestehen würde. Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an[5]. Seit 2020 ist das BZSt im Bereich seiner Verwaltungskompetenzen gemäß dem neu geschaffenen § 208a AO auch für Vorfeldermittlungen zuständig (s. Rz. 251 ff.).

 

Rz. 196

[Autor/Stand] Die allgemeinen Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen werden im Rahmen des Besteuerungsverfahrens aber auch durch das Veranlagungs- bzw. Festsetzungs-FA durchgeführt[7]. Die AO kennt insoweit vielseitige Regelungen der Steuerüberwachung[8]. Mitunter können unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit derartige Maßnahmen (z.B. Auskunftsersuchen) durch die Veranlagungsstelle als milderes Mittel im Vergleich zu einem Tätigwerden der Steufa erscheinen (s. Rz. 249 f.).

 

Rz. 197

[Autor/Stand] Die Kompetenz zu Vorfeldermittlungen gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO steht, sofern nicht ausdrückliche anderweitige Regelungen der AO zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle vorliegen, ansonsten der Steufa zu[10]. Als "anderweitige Regelung der AO", hat das StUmbBG vom 23.6.2017 den § 93 Abs. 1a AO mit Wirkung vom 23.6.2017 eingefügt, welcher die Befugnis der Finanzbehörde (allgemeine Finanzämter) zum Sammelauskunftsersuchen regelt[11]. Das BZSt hat in seinem Aufgabenbereich seit 2020 gem. § 208a AO[12] die Kompetenz zu Vorfeldermittlungen.

[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[2] Koenig in Koenig4, § 208 AO Rz. 23.
[3] Vgl. die Gesetzesbegr. in BT-Drucks. 7/4292, 36, wonach die Steufa in Fällen tätig werden soll, "in denen noch keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit vorliegen, andererseits jedoch ein dahingehender Verdacht nach den gegebenen Umständen naheliegt".
[4] Streck in DStJG 18 (1995), S. 173 (175).
[5] Franke-Roericht in Hüls/Reichling2, § 404 AO Rz. 21.
[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[7] FG Hamburg v. 21.12.1998 – VI 170/98, juris; Heerspink, PStR 2001, 188; Roth in Rolletschke/Kemper/Roth, § 404 AO Rz. 84.
[8] Tormöhlen in HHSp., § 208 AO Rz. 125 mit einer entsprechenden Aufzählung der Maßnahmen aus der AO und in den Einzelsteuergesetzen.
[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[10] Roth in Rolletschke/Kemper/Roth, § 404 AO Rz. 84.
[11] Seer in Tipke/Kruse, § 93 AO Rz. 34.
[12] § 208a AO ist durch das JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096, m.W.v. 29.12.2020 in die AO eingefügt worden.

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