Rz. 1150

[Autor/Stand] Auslieferungen im Steuerstrafrecht sind mittlerweile genauso üblich, wie in anderen Bereichen des Strafrechts auch. Auch in Bezug auf Drittländer, wie die Schweiz, hat sich in der Praxis gezeigt, dass – sofern die dortigen Voraussetzungen für eine Auslieferung ebenso erfüllt sind (z.B. Steuerbetrug oder schwere persönliche Bereicherung) – eine Festnahme (z.B. aufgrund internationalen Haftbefehls) und eine anschließende Auslieferung problemlos erfolgen.

 

Rz. 1151

[Autor/Stand] Die Mutterkonvention der europäischen vertraglichen Auslieferung ist das Europäische Auslieferungsübereinkommnen (EuAlÜbk 1957)[3]. Die Frage einer Auslieferung in Steuerstrafsachen zwischen den EU-Staaten richtet sich im Wesentlichen nach Art. 6 des Übereinkommens vom 27.9.1996 aufgrund von Art. K.3 des Vertrags der EU über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der EU (EU-AuslÜbk 1996).

Das EuAlÜbk 1957 ist nachrangig gegenüber spezielleren völkerrechtlichen Verträgen, deren Regelungen Bestandteil des innerstaatlichen Rechts sind, wie das IRG, östARHG und das schweizerische IRSG. Die Voraussetzungen für eine Auslieferung sind danach im Wesentlichen:

  • beiderseitige Strafbarkeit (§§ 2, 3 IRG; Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk 1957);
  • Mindestsanktion von einem Jahr (Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk 1957), wobei Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk 1957die erforderliche Höchstmaßstrafandrohung im ersuchenden Staat auf sechs Monate absenkt;
  • keine Verjährung (Art. 10 EuAlÜbk 1957);
  • Fehlen eines Auslieferungshindernisses.
 

Rz. 1152

[Autor/Stand] Das EU-Auslieferungsübereinkommen (EU-AuslÜbk 1996) beseitigt die verschiedenen Auslieferungshindernisse, insb. was die Ausnahme vom Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit angeht. So hebt insb. Art. 6 EuAlÜbk 1957 das fiskalische Delikt als Auslieferungshindernis auf. Art. 7 EuAlÜbk 1957 versagt die Berufung auf den Grundsatz der Nicht-Auslieferung eigener Staatsangehöriger[5].

 

Rz. 1153

[Autor/Stand] Das EU-VereinfAuslÜbk regelt vorrangig der Beschleunigung dienende Verfahrensaspekte[7]. Es wird unter bestimmten Voraussetzungen auf das Zulässigkeitsverfahren und gewisse Förmlichkeiten verzichtet, sofern die verfolgte Person mit der Auslieferung einverstanden ist[8]. Daneben treten die EMRK und verschiedentliche Zusatzprotokolle, die Auslieferungshindernisse vorsehen, etwa bei Verstößen gegen die EMRK, drohender Todesstrafe, unangemessen harter Strafen, wenn kein faires Verfahren gewährleistet ist oder Folter oder unmenschliche Behandlung droht[9].

 

Rz. 1154

[Autor/Stand] Die Auslieferung ist zu bewilligen, soweit es sich um Abgaben-, Steuer, Zoll- oder Devisenstrafsachen handelt, die nach dem Recht des ersuchten Staates einer strafbaren Handlung derselben Art entsprechen. Hinsichtlich der Frage, ob die Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates eine strafbare Handlung darstellt, die der strafbaren Handlung entspricht, wegen der um Auslieferung ersucht wird, ist dem ersuchten Mitgliedstaat ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Es ist nicht notwendig, dass die strafbare Handlung materiell-rechtlich einheitlich beurteilt wird. Vielmehr reicht es aus, dass sie als strafbare Handlung derselben Art betrachtet wird.

 

Rz. 1155

[Autor/Stand] Art. 6 Abs. 2 EU-AuslÜbk 1996 sieht vor, dass die Auslieferung nicht mit der Begründung abgelehnt werden darf, dass das Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht dieselbe Art von Abgaben oder Steuern oder keine Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenbestimmungen derselben Art wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaats vorsieht[12].

 

Rz. 1156

[Autor/Stand] Wo das EU-AuslÜbk 1996 nicht gilt[14], findet bei indirekten Steuern Art. 63 SDÜ i.V.m. Art. 30 SDÜ Anwendung[15], der wiederum auf strafbare Handlungen gem. Art. 50 SDÜ verweist. Im Falle direkter Steuern findet – soweit ratifiziert – das Zweite Zusatzprotokoll vom 17.3.1978 zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13.12.1957 (2. ZP-EuAlÜbk 1957) Anwendung. Auch hier ist die Auslieferung zu bewilligen, soweit es sich um Abgaben-, Steuer, Zoll- oder Devisenstrafsachen handelt, die nach dem Recht des ersuchten Staates einer strafbaren Handlung derselben Art entsprechen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass eine nach Art. 64 SDÜ erfolgte Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS)[16] gem. Art. 95 SDÜ einem Ersuchen um vorläufige Festnahme i.S.v. Art. 16 EuAlÜbk 1957 gleichsteht.

 

Rz. 1157

[Autor/Stand] Unter den "Schengen-Staaten" ist die Auslieferung bei Fiskaldelikten durch Art. 50, 63 SDÜ geregelt[18]. Nach Art. 50 Abs. 1 SDÜ besteht eine grundsätzliche Rechtshilfepflicht im Bereich der indirekten (Verbrauchsteuern, der Umsatzsteuer und des Zolls), nicht jedoch hinsichtlich der direkten Steuern. Ersuchen in Verfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Verbrauchsteuern dürfen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass von der ersuchten Vertragspartei Verbrauchsteuern auf die in dem Ersuchen genannten Waren nicht erhoben werden (Art. 50 Abs. 2 SDÜ)[19]. Die Leistung von Rechtshilfe kann gem. Art. 50 Ab...

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