a) Strafprozessualer Arrest

 

Rz. 559

[Autor/Stand] Auf europäischer Ebene ist die grenzüberschreitende Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder sonstigen Beweismitteln möglich, wenngleich in der Praxis schwierig und eher die Ausnahme.[2] Die Vollstreckungshilfe für einen anderen Mitgliedstaat der EU nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses 2006/783/JI des Rates vom 6.10.2006 über die gegenseitige Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen[3] (Rb "Einziehung Gegenseitigkeit") richtet sich nach den §§ 88a–88f IRG. Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 22.7.2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der EU vom 6.6.2008[4] wurde der Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22.7.2003 (Rb "Sicherstellung") über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der EU in das nationale Recht umgesetzt.[5] Beide Rahmenbeschlüsse sind in das IRG implementiert worden, der Rb "Sicherstellung" durch Gesetz vom 6.6.2008[6] und der Rb "Einziehung Gegenseitigkeit" durch Gesetz vom 8.10.2009.[7]

 

Rz. 560

[Autor/Stand] Die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) trifft keine explizite Aussage, was die Vollstreckung von Arrestbeschlüssen im Ausland betrifft. Was den grenzüberschreitenden Arrest in Strafsachen betrifft, hat sich indes aus der Erfahrung heraus gezeigt, dass durchaus auch die EEA herangezogen werden kann. Ausweislich des Wortlauts beziehen sich die vorläufigen Maßnahmen nach der EEA (Art. 32 EEA) indes nur auf Beweismittel.

 

Rz. 561

[Autor/Stand] Zum 19.12.2020 trat die Verordnung (EU) 2018/1805 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2018 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellung und Einziehungsentscheidungen in Kraft.[10] Die Verordnung gilt unmittelbar und verdrängt in ihrem Anwendungsbereich das nationale Recht. Die Verordnung folgt dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung.[11] Insbesondere eine Verpflichtung zur Verwendung standardisierter Formulare ist vorgesehen, mit der eine Erweiterung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens der grenzüberschreitenden Vermögensabschöpfung einhergeht. Folgende Punkte werden dabei zukünftig maßgeblich sein:[12]

  • Stärkung der Pflicht, Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die in anderen Mitgliedstaaten getroffen wurden, anzuerkennen; Beschränkung der Zurückweisungsgründe;
  • Verpflichtung des ersuchten Staates zur Leistung von Rechtshilfe auch bei Ersuchen, die die Dritteinziehung, die Einziehung ohne vorherige Verurteilung und die erweiterte Einziehung betreffen;
  • feste Erledigungsfristen, u.a. kürzere Fristen für Sicherstellungsentscheidungen;
  • verstärkte Kommunikation der beteiligten Behörden und
  • Berücksichtigung der Rechte von Verletzten im Rahmen der Rückgewinnungshilfe.
 

Rz. 562

[Autor/Stand] Bei den in der Verordnung (EU) 2018/1805 aufgeführten Straftaten fällt auf, dass ausdrücklich nur Betrugsdelikte, einschließlich des Betrugs und anderer Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, erfasst sind. Die Steuerhinterziehung hat keine ausdrückliche Erwähnung gefunden. Nach Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 2018/1805 kann aber bei anderen Straftaten der Vollstreckungsstaat die Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellung und Einziehungsentscheidung unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Klassifizierung der Straftat nach dem Recht des Entscheidungsstaates davon abhängig machen, dass die Handlungen die zu der Sicherstellung oder der Einziehungsentscheidung geführt haben, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsstaates darstellen.[14]

 

Rz. 563

[Autor/Stand] Sofern ein nach Maßgabe der §§ 94, 95 IRG zulässiges Ersuchen gestellt wird, besteht für den ersuchten Staat nach § 96 IRG die Verpflichtung, Rechtshilfe zu bewilligen. Neben der Verpflichtung des ersuchenden Staates, eine justizielle Sicherstellungsentscheidung und eine vollständig ausgefüllte Bescheinigung entsprechend den Vorgaben der Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Rb 2003/577/JI "Sicherstellung" vorzulegen, ist die Zulässigkeit grds. davon abhängig, dass ein sog. "Listendelikt" i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Rb 2003/577/JI "Sicherstellung" vorliegt (§ 94 Abs. 1 Nr. 1 IRG). In diesem Fall erfolgt keine Überprüfung der beiderseitigen Strafbarkeit. Eine Gegenausnahme ist in § 94 Abs. 1 Nr. 2 IRG geregelt. Ein Ersuchen in Steuer-, Abgaben-, Zoll- und Währungsangelegenheiten ist danach auch zulässig, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Abgaben-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates.

 

Rz. 564

[Autor/Stand] Die weitere Umsetzung eines zulässigen Ersuchens nach Maßgabe des Rb "Sicherstellung" richtet sich gem. § 94 Abs. 1 IRG nach § 58 Abs. 3 und § 67 IRG, d.h. anders als bei Ersuchen im Rahmen der (vertraglosen) Rechtshilfe nach § 67 Abs. 1 IRG ist – neben der Beschlagnahme nach § 77 Abs. 1 IRG i.V.m. § ...

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