Rz. 51

[Autor/Stand] Die Aussetzung nach § 396 AO ist nur zulässig, wenn die Steuerverkürzung (bzw. ungerechtfertigte Vorteilserlangung) dem Grunde nach ("ob") streitig ist, nicht dagegen bei Zweifeln hinsichtlich der Höhe der Verkürzung bzw. des zu Unrecht erlangten Vorteils[2]. Die Beurteilung der Tat als Steuerhinterziehung ist nämlich nicht vom Umfang der verkürzten Steuer abhängig. Dieser wirkt sich vielmehr nur noch auf den Strafausspruch aus.

 

Rz. 52

[Autor/Stand] Zwar steht der Strafrichter – wie auch die FinB – hinsichtlich der Höhe der Verkürzung zuweilen vor der Notwendigkeit, die verkürzten Beträge zu schätzen. Seine Schätzung unterscheidet sich jedoch erheblich von derjenigen im Besteuerungsverfahren. Der Strafrichter darf seiner Entscheidung nur eine Steuerverkürzung zugrunde legen, die auf Grundlage der Beweisgrundsätze des ordentlichen Strafverfahrens ermittelt wurde; dazu gehört auch der Grundsatz "in dubio pro reo"[4]. Im Strafverfahren ist eine im Besteuerungsverfahren häufig erfolgende Schätzung nach § 162 AO i.d.R. nicht mit dem Grundsatz in dubio pro reo zu vereinbaren[5]. Deshalb hat der Strafrichter über den Umfang einer Steuerverkürzung bzw. eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils selbst zu entscheiden und bei einer Verurteilung nur einen solchen Betrag als verkürzt (bzw. zu Unrecht erlangt) zugrunde zu legen, der zur vollen Überzeugung des Gerichts gelangt ist. Kann es insoweit tatsächliche Zweifel nicht überwinden, muss es zugunsten des Angeklagten entscheiden[6]. Daher findet, wenn lediglich die Höhe der verkürzten Steuern oder der zu Unrecht erlangten Vorteile zweifelhaft ist, § 396 AO keine Anwendung.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.03.2024
[2] Vgl. BGH v. 6.6.1973 – 1 StR 82/72, NJW 1973, 1562; Schlüchter, JR 1985, 360 (362); Schuhmann, wistra 1992, 172 (175); Jäger in JJR9, § 396 AO Rz. 28; Tormöhlen in HHSp., § 396 AO Rz. 62.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.03.2024
[4] Klein, Die Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislast im Steuerrecht und im Strafrecht, Diss. Köln 1989, S. 29 f.; Keßeböhmer, Beweis steuermindernder Tatsachen im Besteuerungsverfahren und im Steuerstrafverfahren, 1995.
[6] Vgl. BGH v. 24.6.1987 – 3 StR 152/87, wistra 1987, 292; BGH v. 10.9.1985 – 4 StR 487/85, wistra 1986, 64.

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