a) Wiederaufnahme nach § 359 StPO

 

Rz. 81

[Autor/Stand] Aufgrund der uneingeschränkten Vorfragenkompetenz der Strafgerichte kann es in der Praxis zu divergierenden Entscheidungen im Strafverfahren und im Besteuerungsverfahren kommen (s. Rz. 10 ff.). In diesem Zusammenhang stellt sich sodann die Frage, ob die für den Stpfl. günstigeren Feststellungen des FG die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens eröffnen. In Betracht kommt grds. eine Wiederaufnahme nach den §§ 359 ff. StPO als auch nach § 79 Abs. 1 BVerfGG.

 

Rz. 82

[Autor/Stand] Nach § 359 Nr. 4 StPO ist die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten zulässig, wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist. Insoweit sind FG-Urteile dem wegfallenden "Zivilurteil" im Sinne dieser Vorschrift gleichgestellt[3]. Gleichwohl kommt eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 359 Nr. 4 StPO nicht in Betracht, da das Strafurteil mangels Gestaltungswirkung der finanzgerichtlichen Entscheidung nicht auf dieses gegründet ist[4].

 

Rz. 83

[Autor/Stand] Nach § 359 Nr. 5 StPO kann ein abgeschlossenes Strafverfahren dann wieder aufgenommen werden, wenn neue entlastende Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die zu einer milderen Beurteilung der Tat oder gar zu einem Freispruch des früheren Angeklagten führen können. Kommt das FG nach Rechtskraft des Strafurteils zu anderen Feststellungen, etwa zu anderen Umsätzen, Gewinnen oder den Umständen von Betriebsausgaben, kann dies zunächst den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO erfüllen. Ob die abweichende rechtliche Beurteilung durch das FG aber als neue Tatsache i.S.d. § 359 Nr. 5 StPO angesehen werden kann, ist umstritten.

Von der wohl überwiegenden Ansicht wird dies abgelehnt[6]. Dies wird damit begründet, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Angriffe gegen die tatsächliche Urteilsgrundlage beschränkt sei[7]. Hier liege aber nur eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Strafgericht vor, was keine Tatsache i.S.d. § 359 Nr. 5 StPO darstelle. Eine revisionsähnliche Überprüfung könne auf diesem Wege nicht erreicht werden, so dass materiell-rechtliche Fehler des angefochtenen Urteils nicht gem. § 359 Nr. 5 StPO gerügt werden könnten.

Demgegenüber lässt Hellmann eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 359 Nr. 5 StPO zu[8]. Dabei bezieht er sich auf die Besonderheiten der Steuerhinterziehung, bei der die steuererheblichen Tatsachen (de facto Zahlenangaben in der Steuererklärung) erst das Ergebnis einer rechtlichen Subsumtion sind, so dass eine andere Rechtsauffassung zwangsläufig zu anderen Besteuerungsgrundlagen führt. Reiß[9] bejaht eine neue Tatsache i.S.d. § 359 Nr. 5 StPO aufgrund des Umstands, dass es an einer Täuschung fehle, wenn das FG einen Steueranspruch rechtskräftig verneine. Auch nach Weidemann[10] fehlt es in diesem Fall an der Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg, da die zu niedrige Steuerfestsetzung nicht auf den Angaben des Pflichtigen beruhe.

Vorzugswürdig ist dagegen die anfangs geschilderte Auffassung, die eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 359 Nr. 5 StPO ablehnt. Die von dem Strafurteil abweichenden Feststellungen des FG, die zu veränderten Besteuerungsgrundlagen führen, beruhen nämlich regelmäßig auf einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung derselben Tatsachen. Das FG gelangt insoweit lediglich zu einer anderen materiell-rechtlichen Beurteilung dieser Tatsachen[11]. Die divergierenden Entscheidungen der beiden Gerichte beruhen mithin einzig auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Sachlich-rechtliche Fehler bei der Beurteilung der Rechtslage sind aber nicht geeignet den Antrag auf Wiederaufnahme zu begründen[12]. Insoweit unterscheidet sich ein fehlerhaftes steuerstrafrechtliches Urteil in keiner Weise von einem "sonstigen" strafrechtlichen Urteil, dem eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugrunde liegt. Bei Letzterem scheidet nach der h.M. eine Wiederaufnahme aber unzweifelhaft aus, da das Wiederaufnahmeverfahren andernfalls zu einer "zeitlich unbefristeten Revision umfunktioniert" würde[13]. Dies muss in gleicher Weise aber auch für das steuerstrafrechtliche Urteil gelten. Schließlich besteht auch im Hinblick auf den Rechtsschutz des Betroffenen keine zwingende Notwendigkeit, die Wiederaufnahme zuzulassen, da er die Möglichkeit hat, im Rahmen der Revision die materiell-rechtliche Richtigkeit der strafrechtlichen Entscheidung überprüfen zu lassen. Der sicherste Weg zur Vermeidung dieser Problematik stellt gleichwohl § 396 AO selbst dar. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollte von der Möglichkeit der Aussetzung des Strafverfahrens nach § 396 AO in der Praxis weitaus häufiger Gebrauch gemacht werden (s. Rz. 17 ff.).

b) Wiederaufnahme nach § 79 Abs. 1 BVerfGG

 

Rz. 84

[Autor/Stand] Daneben enthält § 79 Abs. 1 BVerfGG einen weiteren selbständigen Wiederaufnahmegrund. So ist die Wiederaufnahme des Verfahrens geg...

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