Rz. 282

[Autor/Stand] Die Informationen können auch vonseiten der Strafjustiz an die FinB gelangen. Bei § 393 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AO ist zu bemängeln, dass die Rechtsgrundlagen nach der StPO, die die Weitergabebefugnis an die FinB regeln, weder im Gesetz noch der Gesetzesbegründung (hier war nur ein Hinweis auf § 116 AO angeregt worden[2]) genannt wurden[3]. Welche Vorschriften der StPO hierfür in Frage kommen, ist umstr.[4]

 

Rz. 282.1

[Autor/Stand] In Betracht kommt insofern § 406e StPO, der ein Akteneinsichtsrecht für den "Verletzten" vorsieht; so bezeichnet z.B. die Begründung des Entwurfs des JStG 2008[6] den Fiskus als Verletzten i.S.d. strafprozessualen Vorschriften[7]. Nach dieser Vorschrift müsste allerdings ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden[8].

 

Rz. 282.2

[Autor/Stand] Auch die §§ 474 ff.StPO regeln die Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht und Datenverwendung für verfahrensübergreifende Zwecke[10]. Nach § 474 Abs. 1 StPO besteht ein Akteneinsichtsrecht für Gerichte, StA und andere Justizbehörden für "Zwecke der Rechtspflege", dazu zählt das Besteuerungsverfahren nicht[11]. In Betracht käme allenfalls § 474 Abs. 2 Nr. 2 StPO, der die Auskunftserteilung an öffentliche Stellen für zulässig erklärt, soweit

"diesen Stellen in sonstigen Fällen auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen oder soweit nach einer Übermittlung von Amts wegen die Übermittlung weiterer personenbezogener Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist".

Dabei sind die Vorgaben des § 479 StPO n.F. zu beachten (s. dazu Rz. 275 sowie BFH vom 24.4.2013[12] noch zu § 477 Abs. 2 StPO aF).

Nach Bülte[13] stehen die abschließenden Sonderregelungen der §§ 474 ff. StPO einer Anwendung des § 406e StPO entgegen. Das widerspricht jedoch § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO[14].

Hält man zudem eine Weitergabebefugnis gem. § 474 Abs. 2 StPO für einschlägig, würde dies letztlich dazu führen, dass die steuerliche Verwendungsbefugnis gem. § 393 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 AO leerliefe. § 474 Abs. 2 Satz 2 StPO steht einer Weitergabe der TKÜ-Daten zu Besteuerungszwecken durchweg entgegen, da es nur wenige steuerliche Katalogtaten i.S.v. § 100a StPO gibt[15] (s. Rz. 270).

 

Rz. 282.3

[Autor/Stand] Nach den Gesetzesmaterialien sollte jedoch dem Fiskus als Verletztem im Sinne der strafprozessualen Vorschriften ein Auskunftsrecht zustehen[17]. Angesichts dieser Unklarheiten wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber geboten[18]. Denkbar wäre es, zusätzlich einen Hinweis auf § 116 AO in die Neufassung aufzunehmen[19]. Jedoch begründen allgemeine Amtshilferegelungen ohne weitergehende Beschränkungen aus der AO oder der StPO keine hinreichenden Befugnisnormen zur zweckändernden Verwendung der Daten (s. Rz. 283.3).

 

Rz. 283

[Autor/Stand] Nach obergerichtlicher Rspr. besteht ein sehr weitgehender Anspruch der FinB auf Akteneinsicht und Auskunftserteilung gegenüber der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Besteuerung.

 

Rz. 283.1

[Autor/Stand] Nach OLG Karlsruhe vom 2.10.2013[22] ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, dem FA zum Zwecke einer von diesem gegen den Beschuldigten bzw. gegen von ihm vertretene Vereine angeordneten Außenprüfung (§ 193 AO) Einsicht in Unterlagen zu gewähren, die in einem gegen den Beschuldigten geführten Strafverfahren beschlagnahmt worden sind, soweit diese Unterlagen für die Steuerprüfung erforderlich sind.

Das OLG Karlsruhe leitete den Anspruch aus § 111 Abs. 1, § 105 Abs. 1 i.V.m. § 474 Abs. 2 StPO her und führte zum Verhältnis dieser Bestimmungen zu § 393 AO aus:

„[...] Dass personenbezogene Daten von der Weitergabe ausgenommen sein sollen, ist auch der Bestimmung des § 393 Abs. 3 AO nicht zu entnehmen. Auch § 393 Abs. 3 AO stellt deshalb, wenn er auch selbst die Gewährung von Auskünften und Akteneinsicht nicht regelt, eine besondere Vorschrift dar, die impliziert und damit vorsieht, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften auch personenbezogene Daten an die Finanzbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Besteuerungsverfahren übermitteln dürfen. Gemäß §§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EGGVG, 474 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 und 4 StPO war die Gewährung der Akteneinsicht damit zulässig, denn bei der Finanzbehörde handelt es sich um eine öffentliche Stelle im Sinne von § 474 Abs. 2 StPO.

Die Gewährung der Akteneinsicht stellt auch keine Umgehung des Verbots des § 393 Abs. 2 AO dar, wonach im Besteuerungsverfahren steuerrechtliche Zwangsmittel (§ 328 AO) unzulässig sind, wenn der Steuerpflichtige gezwungen würde, sich selbst zu belasten, denn § 393 Abs. 2 StPO schließt die Anwendung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen nicht aus (Klein AO 11. Aufl. § 393 Rn 15).”

 

Rz. 283.2

[Autor/Stand] Nach dem BayObLG vom 20.12.2021[24] ergibt sich auch nach Einstellung des Verfahrens ein Auskunftsanspruch des FA gegenüber der StA auf Übermittlung von Daten aus der strafrechtlichen Verfahrensakte gem. § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 EGGVG aus § 105 Abs. 1, § 111 Abs. 1 Satz 1 sowie § 393 Abs. 3 AO (und ...

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