Rz. 166

[Autor/Stand] Ob die vorgenannten strafrechtlichen Verwertungsverbote bei Verstößen gegen die Belehrungspflichten auch auf das Steuerverfahren durchschlagen, ist umstritten (s. auch § 385 Rz. 1173 ff. m.w.N.).

Nach st. Rspr. des BFH können Verfahrensverstöße im Rahmen einer Außen- oder Steuerfahndungsprüfung nur dann ein Verwertungsverbot bzgl. der Erkenntnisse im Besteuerungsverfahren begründen, wenn sie schwerwiegend waren oder bewusst und willkürlich begangen wurden[2]. Im Besteuerungsverfahren bestehe kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden[3].

Sollen Erkenntnisse der Außenprüfung im Besteuerungsverfahren nicht verwertet werden, muss der Stpfl. innerhalb der Einspruchsfrist die Prüfungsanordnung erfolgreich anfechten und notfalls klagen[4] (s. Rz. 290 f.).

Zur Unterscheidung zwischen formellen und materiell-rechtlichem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren s. grundlegend § 385 Rz. 1176 ff. Zum sog. qualifizierten materiell-rechtlichem Verwertungsverbot s. Rz. 180, 272.

 

Rz. 167

[Autor/Stand] Nach zutreffender überwiegender Auffassung in der Literatur findet § 136a StPO direkt oder analog auch im Besteuerungsverfahren Anwendung, da das zugrunde liegende Nemo-tenetur-Prinzip einem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht[6]. Dem ist zuzustimmen.

 

Rz. 168

[Autor/Stand] Der BFH[8] hat die Frage, ob das Verwertungsverbot des § 136a StPO auch im Besteuerungsverfahren Anwendung findet, in zwei Nichtzulassungsbeschwerden offengelassen. Den Entscheidungen lag jeweils ein Fall aus der Außenprüfung zugrunde, in dem nach Angaben der Beschwerdeführer der Betriebsprüfer über den strafrechtlichen Ermittlungszweck der Prüfung bewusst nicht belehrt und damit gegen § 393 Abs. 1 Satz 4 AO verstoßen habe. Es fehle an der Klärungsbedürftigkeit, da der BFH bereits entschieden habe, dass das Unterlassen der Belehrung nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO nicht zu einem Verwertungsverbot führe (BFH vom 23.1.2002, s. dazu Rz. 169). Zwar sei unklar, ob dies auch dann gelte, wenn der Außenprüfer gegen § 136a StPO verstoßen hat. Diese Frage könne jedoch offenbleiben, da eine Täuschung durch Unterlassen nicht unter § 136a StPO falle. Insbesondere sei das Verschweigen von Rechten und Tatsachen keine Täuschung in diesem Sinne[9]. Im Übrigen sei diese Frage in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärbar, da das FG bereits bindend festgestellt habe, dass die Schwelle des § 136a StPO nicht überschritten worden sei (§ 118 Abs. 2 FGO).

 

Rz. 169

[Autor/Stand] Dagegen folgt aus der Verletzung der Belehrungspflicht gem. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO oder die Unterbrechungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 3 BpO nach st. Rspr. des BFH nur ein strafrechtliches, aber kein steuerliches Verwertungsverbot[11] (s. dazu das Beispiel in § 397 Rz. 46). Dies gelte auch für eine Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 199 Abs. 2 AO. Der Verfassungsgrundsatz, dass sich niemand selbst einer Straftat bezichtigen und daher insoweit belehrt werden müsse, betreffe nur das Strafverfahren. Mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung sei es nicht zu vereinbaren, Auskünfte eines ehrlichen Stpfl. uneingeschränkt der Besteuerung zugrunde zu legen und Auskünfte eines einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit Verdächtigten steuerlich unberücksichtigt zu lassen.

 

Rz. 169.1

[Autor/Stand] Verfassungsbeschwerden gegen diese Rspr. des BFH hat das BVerfG mehrfach nicht zur Entscheidung angenommen[13]. Damit ist die Rspr. praktisch unumstößlich.

 

Rz. 169.2

[Autor/Stand] Nach der Gegenansicht unterfallen die unter Verstoß gegen die Belehrungspflichten erlangten Informationen auch einem steuerrechtlichen Verwertungsverbot, weil sie entgegen dem steuerlichen Verbot der Informationsgewinnung gewonnen wurden und § 393 Abs. 1 Satz 4 AO den Schutz des Stpfl. bezwecke[15]. Zudem wird auf die Vorschrift des § 393 Abs. 3 AO verwiesen, die im Umkehrschluss dafür spreche, dass unrechtmäßig im Strafverfahren erlangte Erkenntnisse auch im Besteuerungsverfahren unverwertbar seien[16] (s. dazu aber auch Rz. 174, 265 m.w.N.).

Auch das Argument der finanzgerichtlichen Rspr., diese Sichtweise benachteilige die unredlichen gegenüber den redlichen Stpfl., weil bei diesen sämtliche Feststellungen ohne Rücksicht darauf der Besteuerung zugrunde gelegt würden, ob der Behörde zuvor Verfahrensfehler unterlaufen seien (s. hier § 397 Rz. 45 m.w.N.), verkenne den gesetzlich vorgegebenen Gleichklang von Straf- und Besteuerungsverfahren, bei denen aus rechtsstaatlichen Gründen bestimmte restriktive Formalien einzuhalten sind.

 

Rz. 170

[Autor/Stand] Bereits zuvor hat der BFH steuerliche Verwertungsverbote nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen anerkannt[18] und dies z.B. bei Spontanäußerungen des Stpfl. abgelehnt[19].

 

Rz. 171

[Autor/Stand] Ob aus der verspäteten oder unterlassenen Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung gem. § 397 Abs. 3 AO auch ein Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren folgt, hat der BFH im Hi...

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