Rz. 5

[Autor/Stand] Das in § 378 AO geschützte Rechtsgut ist mit dem des § 370 AO identisch[2]. Geschützt wird nach Ansicht der Rspr. der Anspruch des Bundes und der Länder auf das Vollerträgnis jeder einzelnen Steuerart[3]. Im Schrifttum wird das geschützte Rechtsgut zum Teil anders umschrieben (s. § 370 Rz. 52 ff.).

 

Rz. 6

[Autor/Stand] § 378 AO bildet das Gegenstück zur Steuerhinterziehung (§ 370 AO) im Bereich der Ordnungswidrigkeiten. Die Tatbestände des § 378 AO sind durch die Verweisung auf § 370 AO mit denen dieser Vorschrift weitgehend identisch. In objektiver Hinsicht ist lediglich der Täterkreis in § 378 AO enger gefasst. Der wesentliche Unterschied beider Vorschriften liegt im subjektiven Bereich begründet: § 370 AO setzt vorsätzliches, § 378 AO dagegen leichtfertiges Handeln voraus. Im Gegensatz zu der obligatorischen Strafandrohung des § 370 AO sieht die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO eine wesentlich mildere, im Übrigen nicht registrierpflichtige Ahndung mit Bußgeld vor (unberührt bleiben jedoch die Regelungen zur Mitteilung an andere Behörden und Berufskammern[5]). Eine Ahndung des Versuchs – wie bei § 370 Abs. 2 AO – ist bei § 378 AO – wie allgemein bei Fahrlässigkeitstaten – begrifflich ausgeschlossen (vgl. § 22 StGB). Auch strafschärfende Regelbeispiele, wie in § 370 Abs. 3 AO vorgesehen, sind mit dem schuldneutralen Charakter des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht vereinbar.

Es verbleibt, anders als bei § 370 AO, bei der Möglichkeit der Restschuldbefreiung.[6] Eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist im Unterschied zu § 370 AO nicht möglich.[7]

 

Rz. 7

[Autor/Stand] Von allen Steuerordnungswidrigkeiten hat § 378 AO die größte praktische Bedeutung[9]. Die leichtfertige Steuerverkürzung ist die häufigste Steuerverfehlung[10]. In vielen Fällen kann sie die Wirkung eines Auffangtatbestands[11] haben, wenn der Verdacht einer Steuerhinterziehung besteht, dem Täter Vorsatz aber nicht nachzuweisen ist oder der Täter wegen eines Tatbestandsirrtums nicht wegen vorsätzlicher Tat bestraft werden kann, eine Ahndung wegen leichtfertiger Verkürzung davon aber unberührt ist (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB; in der Praxis wird jedoch – aus verschiedenen Gründen – oft nicht hilfsweise auf den Tatbestand des § 378 AO zurückgegriffen, wenn die Ermittlungsbehörde sich nicht mit einem Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Hinterziehung durchsetzen konnte). Der BGH hat bspw. mit seinem Urteil vom 8.9.2011 den freisprechenden Teil eines Strafurteils auch deshalb aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz verwiesen, weil der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) nicht geprüft worden war[12].

Dies entbindet die Ermittlungsbehörden aber nicht davon, leichtfertiges Verhalten festzustellen[13]. Die Rechtsanwendung ist hierbei, bedingt durch die fließenden Übergänge zwischen bedingtem Vorsatz und leichtfertigem Verhalten, vor erhebliche Beweisschwierigkeiten gestellt, die allerdings nicht dazu verleiten dürfen, von den Indizien des nicht nachweisbaren Vorsatzes automatisch rückzuschließen auf das Vorliegen leichtfertigen Verhaltens[14]. Ebenso wenig darf die FinB den Weg des geringsten Widerstands gehen, indem sie in eigener Zuständigkeit das Bußgeldverfahren wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zu Ende führt, ohne bestehenden Anzeichen für einen Hinterziehungsvorsatz im Einzelnen nachzugehen[15]. Für die Verteidigung stellt die Ahndung durch Bußgeldfestsetzung eine deutlich mildere Sanktion gegenüber der Festsetzung einer Strafe mit drohender Eintragung in das Bundeszentralregister dar und kann ggf. eine akzeptable Verfahrensbeendigung darstellen[16]. Für manche Mandanten dürften jedoch auch dann etwaige Hinweise an andere Behörden und Berufskammern im Blick zu behalten sein[17].

 

Rz. 8

[Autor/Stand] Durch den Verweis in § 378 Abs. 1 Satz 2 AO auf § 370 Abs. 57 AO wird der sachliche und örtliche Anwendungsbereich auf die leichtfertige Verkürzung von Eingangsabgaben, Umsatz- und harmonisierten Verbrauchsteuern anderer europäischer Staaten und auf Auslandstaten erweitert (s. § 370 Rz. 79 ff., 537 f., 542 ff. und 560 ff.). Wegen der entsprechenden Anwendung des § 378 AO auf Verkürzungen von Monopolabgaben, Abgaben nach dem MOG sowie im Prämien- und Zulagenrecht wird auf § 377 Rz. 11 f. Bezug genommen.

[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.09.2022
[2] Vgl. auch Joecks in JJR8, § 378 AO Rz. 6.
[3] BGH v. 28.11.1957 – 4 StR 180/57, ZfZ 1958, 145 (147); RG, RGSt 59, 258 (262); vgl. BFH v. 24.10.1996 – VII R 113/94, BStBl. II 1997, 308 = BFHE 181, 552; BFH v. 24.10.1996 – VII R 114/94, juris; BFH v. 14.8.1991 – X R 86/88, BFHE 165, 458 = DB 1992, 191.
[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.09.2022
[5] Vgl. hierzu Dinkgraeve, steueranwaltsmagazin 2017, 215 ff.
[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.09.2022
[9] Zur Frage, ob Bußgeldtatbestände künftig vermehrt verfolgt werden, vgl. Wessing, SAM ...

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