Rz. 118

[Autor/Stand] Übernimmt der steuerliche Berater neben der Erstellung der Steuererklärung und Jahresabschlussarbeiten auch die Führung der Bücher für seinen Mandanten (sog. Vollauftrag), erhöht sich damit zwangsläufig auch der Umfang der Sorgfaltspflichten. In formaler Hinsicht ist er uneingeschränkt für die Ordnungsmäßigkeit und Richtigkeit der Buchführung verantwortlich. Eine derart weitgehende Einstandspflicht für die materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung besteht hingegen nicht[2]. Der Steuerberater ist nicht verpflichtet, jede bestehende Unklarheit aufzuklären sowie Einzelangaben zu überprüfen, soweit er an ihrer Richtigkeit bloße Zweifel hat. Er handelt nur dann leichtfertig, wenn er Belege verbucht, deren inhaltliche Unrichtigkeit sich ihm geradezu aufdrängen muss. Von einem evidenten Sorgfaltsverstoß kann jedenfalls im folgenden Beispiel nicht die Rede sein.

 

Beispiel 85

Steuerberater S ist von seinem Mandanten, einem Bäckermeister, mit der Buchführung, Abschlusserstellung und Anfertigung der Steuererklärungen beauftragt. B übergibt ihm eine Weinrechnung i.H.v. 600 DM zur Verbuchung. Aus der vom betrieblichen Bankkonto gezahlten Rechnung geht nicht hervor, dass der Wein vorwiegend für den privaten Verbrauch eingekauft wurde.

Nach Ansicht von Blumers soll S angesichts der Höhe der Weinrechnung gehalten sein, nach der Verwendung des Weines zu fragen, um den Umfang der betrieblichen Veranlassung und die vom BFH geforderte klare Abgrenzung zu ermitteln. Gleiches habe zu gelten bei Zweifelsfragen bzgl. der privaten Nutzung betrieblicher Pkw oder Gehaltszahlungen an Angehörige oder privates Hauspersonal (vgl. die weiteren Beispiele zu Fragen der Warenbewertung und der Inventur bei Blumers[3]).

Meines Erachtens kann in den vorstehenden Beispielsfällen auf keinen Fall ein leichtfertiger Sorgfaltsverstoß des S angenommen werden, wenn er die Weinrechnung u.a. als Betriebsausgaben verbucht[4]. Nach OLG Bremen[5] sind die Prüfungspflichten des Steuerberaters auch in Bezug auf die Buchführung beschränkt, da er insoweit auf die Angaben des Stpfl. angewiesen sei.

Von einem Steuerberater kann auch nicht verlangt werden, bei Feststellung auf Einnahmeverkürzungen beruhender Kassenfehlbeträge diese durch zusätzliche Einnahmebuchungen auszugleichen (s. auch Rz. 117)[6]. Hierdurch setzt er sich vielmehr erst recht einem Straf- bzw. Bußgeldrisiko aus, wenn sich später Steuerverkürzungen des Mandanten herausstellen sollten[7].

[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.09.2022
[2] Joecks in JJR8, § 378 AO Rz. 58; Lohmeyer, BlStA 1966, 1 (2); Brunner, DB 1957, 588.
[3] Blumers in StbJb. 1983/84, S. 319 (327–329).
[4] So auch Schmeer in Gräfe/Wollweber/Schmeer, Steuerberaterhaftung7, Rz. 359.
[5] OLG Bremen v. 26.4.1985 – Ws 111/84, Ws 115/84, Ws 116/84, StV 1985, 282 (284 f.).
[6] So aber Suhr/Naumann/Bilsdorfer4, Rz. 558.
[7] Vgl. Dörn, wistra 1994, 292.

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