Rz. 405

[Autor/Stand] Der Begriff "Compliance" umfasst die (aktiv) strategisch gewollte und durchgeführte Gesetzesbefolgung mit einem Sicherungs- oder Kontrollsystem, welches vor Gesetzesverstößen und den damit einhergehenden Konsequenzen schützen soll[2]. Bezogen auf die aktive Befolgung der steuerlichen Pflichten eines Unternehmens und der damit einhergehenden Vermeidung von Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken spricht man im Allgemeinen von "Tax Compliance", wobei in der Literatur (sowie im Gebrauch der Finanzverwaltung) unterschiedliche Definitionen zu finden sind[3]. Der IDW PS 980 beschreibt ein Compliance Management System (CMS) als

"die auf der Grundlage der von den gesetzlichen Vertretern festgelegten Ziele eingeführten Grundsätze und Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Sicherstellung eines regelkonformen Verhaltens der gesetzlichen Vertreter und Mitarbeiter des Unternehmens sowie ggf. Dritte abzielen, d.h. auf die Einhaltung bestimmter Regeln und damit auf die Verhinderung von wesentlichen Verstößen (Regelverstöße)".[4]

Dabei könne sich ein CMS sowohl auf Geschäftsbereiche, Unternehmensprozesse oder eben auch auf bestimmte Rechtsgebiete – wie das Steuerrecht – beziehen[5] und so einen Teilbereich des ganzen CMS darstellen mit dem Zweck der vollständigen und zeitgerechten Erfüllung der steuerlichen Pflichten[6].

 

Rz. 406

[Autor/Stand] Tax Compliance bedeutet nicht, dass Unternehmen – sowie deren Berater – sich als verlängerten Arm der Finanzverwaltung sehen sollten. "Compliant" sein bedeutet nämlich nicht, darauf zu verzichten, Geschäftsvorfälle und Sachverhalte auf die steueroptimale Lösung hin zu untersuchen. Tax Compliance kann sogar helfen, beim legitimen Ziel der Reduzierung der Steuerbelastung die gesetzlichen Anforderungen zu berücksichtigen und pflichtwidriges Verhalten zu vermeiden – insbesondere als Abgrenzung zu missbräuchlichen Gestaltungen i.S.d. § 42 AO[8]. Selbstverständlich dürfen von der Finanzverwaltung abweichende Rechtsauffassungen vertreten werden, sofern dies offengelegt wird[9]. S. hierzu § 370 Rz. 237.

 

Rz. 407

[Autor/Stand] Das Thema Tax Compliance gewinnt immer mehr an Bedeutung, da mit dem BMF-Schreiben vom 23.5.2016 der AEAO zu § 153 dahin gehend geändert wurde, dass ein implementiertes und gelebtes steuerliches internes Kontrollsystem ein Indiz sein kann, dass im Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt wurde. Anderseits kann ein gelebtes Tax CMS auch im Rahmen der Aufsichtspflichten des OWiG eine Belegfunktion für eine Exkulpation der Leitungsorgane darstellen.

In einer empirischen Studie betreffend Steuerabteilungen großer deutscher Kapitalgesellschaften wurde festgestellt, dass die Aufgabengebiete Compliance und Risikomanagement dem Aufgabengebiet der gestalterischen Steuerplanung in vielen Fällen mindestens ebenbürtig gegenüberstehen[11].

[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.07.2023
[2] Vgl. Streck in Streck/Mack/Schwedhelm, Tax Compliance3, Rz. 1.1.
[3] Vgl. Streck in Streck/Mack/Schwedhelm, Tax Compliance3, Rz. 1.4 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 85 AO Rz. 28.
[4] IDW PS 980, Rz. 6.
[5] Vgl. IDW PS 980, Rz. 6 f.
[6] Vgl. IDW, IDW Praxishinweis 1/2016: Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems gem. IDW PS 980, 2016, Rz. 7 ff. (Stand: 31.5.2017).
[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.07.2023
[8] Vgl. Geuenich/Kiesel, BB 2012, 155 ff.
[9] Vgl. Beyer, NWB 2016, 3854 ff.
[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.07.2023
[11] Vgl. die Darstellung bei Feller/Huber/Schanz, DStR 2017, 1673 (1677); unter Risikomanagement wird insofern verstanden, dass steuerliche Risiken identifiziert und den jeweiligen Entscheidungsträgern kommuniziert werden; hierbei handelt es sich um einen Teilaspekt von Compliance.

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