Rz. 46

[Autor/Stand] Wesentliches Merkmal des "Sich-Verschaffens" ist, dass die Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken übernommen wird, also darauf abzielt, die Sache dem eigenen Vermögen (oder dem eines Dritten) unter Ausschluss des Vortäters einzuverleiben[2]. Damit ist nicht die zivilrechtliche Verfügungsbefugnis, sondern die tatsächliche Sachherrschaft über das Tatobjekt gemeint[3].

 

Rz. 47

[Autor/Stand] Der Erwerber muss dabei unabhängig vom Willen des Vortäters über die Sache verfügen können[5].

 

Beispiel

S bringt 50 Stangen unverzollte Zigaretten über die "grüne Grenze" und händigt diese dem A aus mit dem Auftrag, sie an den in Bremen arbeitenden Bruder des N zu schicken. A hat die Zigaretten nicht an sich gebracht, weil sie ihm von S nicht zur freien Verfügung überlassen wurden.

Mittäter können dabei entweder gemeinsam die Sachherrschaft ausüben oder jeder von ihnen erhält eine eigenständige (Mit-)Verfügungsbefugnis[6].

 

Rz. 48

[Autor/Stand] Das Sichverschaffen setzt das Einverständnis des Vorbesitzers voraus[8]. Wird z.B. der Vortäter bestohlen oder durch Drohung oder Täuschung zur Übertragung der Verfügungsgewalt veranlasst, scheidet tatbestandsmäßiges Verhalten i.S.v. § 374 AO aus. Jäger[9] hingegen verwehrt sich gegen eine unmodifizierte Übernahme dieser zu § 259 StGB vertretenen h.M., die eine Abgrenzung gegen andere Vermögensdelikte wie Raub, Diebstahl und Betrug intendiert, auch auf die Steuerhehlerei. Er lässt auch die eigenmächtige Übernahme der Sachen genügen und begründet dies mit der Rechtsnatur des § 374 AO, die er in der Restitutionsvereitelung sieht (zum Streit darüber s. Rz. 9 ff.)[10]. Andere differenzieren weitergehend nach Drohung und Wegnahme einerseits und Täuschung andererseits[11]. Beim Betrug liege – trotz des Irrtums – eine freiwillige Vermögensverfügung vor, so dass die Einvernehmlichkeit zu bejahen sei, nicht aber bei Raub oder Diebstahl. Stellt man aber mit der überwiegenden Ansicht auch auf den wichtigen Strafzweck des § 374 AO ab, Nachfrageanreize zu verhindern, spricht alles für das Erfordernis eines einverständlichen Verhaltens. Eine andere Interpretation der Tathandlung bei § 374 AO würde die Grenzen zu nicht vergleichbaren allgemeinen Straftatbeständen verwischen.

 

Rz. 48.1

[Autor/Stand] Das Ansichnehmen der Sache zu lediglich vorübergehendem Gebrauch[13] oder auch zwecks deren Vernichtung[14] reicht ebenfalls nicht aus. Zu eigenen Zwecken kann freilich auch derjenige Verfügungsgewalt erlangen, für den ein, sei es bösgläubig, sei es gutgläubig Handelnder die Sache auftragsgemäß in Verwahrung nimmt[15].

 

Rz. 49

[Autor/Stand] Das Verbleiben des Gewahrsams beim Vortäter schließt die Begründung eigener Verfügungsgewalt des Nachtäters nicht notwendig aus; bereits die Eröffnung der Möglichkeit, das Schmuggelgut jederzeit an sich zu nehmen, kann genügen[17].

 

Beispiel 13

Der Schmuggler A hatte geschmuggelte Uhren ins Pfandhaus gebracht. Die Pfandscheine verkaufte er an B, der über die Herkunft der Uhren Bescheid wusste.

B hat sich wegen Steuerhehlerei strafbar gemacht. Durch den Verkauf und die Übernahme der Pfandscheine an B hatte sich A der tatsächlichen Verfügungsmacht über die geschmuggelten Uhren entäußert und sie auf B übertragen. Damit hatte B die Uhren an sich gebracht. Darin liegt keine eine Ersatzhehlerei vor.[18]

 

Rz. 50

[Autor/Stand] Bei Übertragung von Mitverfügungsgewalt kommt eine Hehlerei in Form des "Sich-Verschaffens" nur in Betracht, wenn der Erwerber, unabhängig vom Willen des Vortäters, über die Sache verfügen kann[20]. Keine Verfügungsgewalt erlangt daher die Ehefrau, die Schmuggelgut des Mannes nach dessen Anweisungen in ihrem Haushalt konserviert oder zur Bereitung von Speisen verwendet[21].

 

Rz. 51

[Autor/Stand] Die Zurverfügungstellung von Lagermöglichkeiten von Schmuggelgut ist unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt eine täterschaftliche Handlung i.S.d. § 374 AO, sondern kann nur als Beihilfe zur Steuerhehlerei bestraft werden (vgl. BVerfG im nachst. Beispiel sowie BGH vom 9.5.2019,[23] s. Rz. 120.3).

 

Beispiel 18

Gegen den Bf. war ein Strafbefehl wegen Steuerhehlerei (§ 374 AO) ergangen. Er soll sich ca. 27.000 Stück unverzollter und unversteuerter Zigaretten verschafft haben, um sie gewinnbringend weiterzuveräußern. Er sei mit einem Teil der Zigaretten, die er in einer Sporttasche bei sich geführt habe, vor seinem Zimmer aufgegriffen worden, den Rest habe er in seinem Zimmer gelagert. Nachdem der Strafbefehl rechtskräftig geworden war, beantragte der Bf. wegen neuer Beweise die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 359 Nr. 5 StPO). Die Zigaretten hätten zwei Freunden gehört, die am Vorabend bei ihm übernachtet hätten und die dies den Durchsuchungsbeamten gegenüber eingestanden hätten. Dies könne auch seine Ehefrau bezeugen, ebenso die Tatsache, dass er selbst zu dem Zeitpunkt, als die Zollbeamten in seine Wohnung eindrangen, im Bett gelegen habe.

Das AG verwarf den Wiederaufnahmeantrag, u.a. mit der Begründung, es sei für eine Bestrafung nach § 374 AO unerheblich,...

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