Rz. 175

[Autor/Stand] Nach überwiegender und zutreffender Ansicht wird die stillschweigende Nachholung unterlassener Angaben in einem anderen Veranlagungszeitraum nicht als wirksame Berichtigung hinsichtlich früherer unrichtiger oder unterlassener Angaben anerkannt[2]. Wer die für einen Veranlagungszeitraum unterlassenen Angaben ohne Erläuterung in der Steuererklärung für einen anderen Veranlagungszeitraum nachholt, berichtigt nicht die früheren unrichtigen Angaben.

 

Beispiel

Stpfl. S nimmt stillschweigend die im VZ 2013 verschwiegenen Einkünfte in die Einkommensteuererklärung für 2014 mit auf. Dabei wirkt sich die Nachversteuerung wegen höherer Progression für ihn sogar noch nachteilig aus.

 

Rz. 176

[Autor/Stand] Dieser Ansicht hat sich auch das LG München II angeschlossen, das die unrichtige Zuordnung von Einkünften nicht lediglich als Formfehler bewertete[4]. Gemäß § 371 Abs. 1 AO kommt es auf die Berichtigung falscher, die Ergänzung unvollständiger und die Nachholung bisher unterlassener Angaben an. Die unrichtige Zuordnung von Einkünften stelle daher gerade keine Berichtigung oder Ergänzung von früheren Angaben dar, sondern eine weitere wahrheitswidrige Angabe. Schon dem Wortlaut des Gesetzes nach sei eine falsche Zuordnung für die Wirksamkeit der Selbstanzeige schädlich.

 

Rz. 177

[Autor/Stand] Nach Joecks[6] fehlt dem Täter in diesem Fall regelmäßig die Vorstellung, durch unrichtige Angaben Steuern zu verkürzen. Dem ist entgegenzuhalten, dass es auf den Vorsatz im Zeitpunkt der Tatbegehung (also bei Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2013) ankommt. Allenfalls ist ein Rücktritt (§ 24 StGB) in Erwägung zu ziehen für den Fall, dass eine Steuerfestsetzung für 2013 noch nicht erfolgt ist.

 

Rz. 178

[Autor/Stand] Die Nachholung unterlassener Angaben in einem anderen Veranlagungszeitraum ist dagegen anders zu bewerten, wenn für die Finanzverwaltung erkennbar vorhergehende unrichtige Angaben richtiggestellt oder nachgeholt werden und es der FinB ohne weitere langwierige Ermittlungen möglich ist, von sich aus weitere Ermittlungen anzustellen und eine entsprechende zutreffende Berichtigungsveranlagung vorzunehmen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, steht einer wirksamen Berichtigung für den vorangegangenen Steuerabschnitt nichts im Wege. In diesem Fall liefe die Unbeachtlichkeit der Berichtigung auf reinen Formalismus hinaus. Vorsorglich empfiehlt es sich, auf die offenen Fragen, welchem Besteuerungszeitraum die Selbstanzeige zuzurechnen ist, hinzuweisen.

 

Rz. 179

[Autor/Stand] Im vorstehenden Beispiel ist es für die FinB nicht ersichtlich, dass eine Berichtigung für den vorhergehenden Veranlagungszeitraum vorgenommen wurde, so dass in diesem Fall nicht von einer für den Veranlagungszeitraum 2013 wirksamen Berichtigung ausgegangen werden kann. Hier ist m.E. aber ohne Zweifel in Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs gem. § 46a StGB (dazu § 370 Rz. 1059 ff.) von Strafe abzusehen, zumal S durch die Nachversteuerung im Veranlagungszeitraum 2014 einen zusätzlichen Nachteil erlitten und damit eine über die Steuernachzahlung hinausgehende Leistung erbracht hat.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] BGH v. 18.10.1956 – 4 StR 166/57, BStBl. I 1957, 122; Ehlers, S. 29; Pfaff, S. 94; Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 98; Webel in Schwarz/Pahlke, § 371 AO Rz. 70.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[4] LG München II v. 13.3.2014 – W 5 KLs 68 Js 3284/13, wistra 2015, 77.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[6] Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 68.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021

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