a) Begriff des Erscheinens

 

Rz. 451

[Autor/Stand]"Erschienen" ist der Amtsträger zur steuerlichen Prüfung oder Ermittlung, wenn er an dem Ort ankommt, an dem die Prüfung durchgeführt werden soll[2]. Darunter ist nach h.M. ein physisches Erscheinen zu verstehen. Die bloße (telefonische oder schriftliche) Ankündigung des Besuchs des Betriebsprüfers oder der Erhalt der Prüfungsanordnung (vgl. §§ 196, 197 AO) reichen nicht aus[3].

 

Rz. 452

[Autor/Stand] Nach einer Ansicht genügt es, wenn der Prüfer am Prüfungsort körperlich in das Blickfeld des Täters oder dessen Vertreters getreten ist[5]. Nicht erforderlich sei, dass er die Geschäfts- oder Wohnräume bereits betreten habe[6].

 

Beispiel 5

Der Betriebsprüfer war zu dem vorangekündigten Termin auf dem Parkplatz des Betriebs des Angeklagten vorgefahren. Er stieg aus und begab sich zum Eingang des Betriebsgebäudes. Als er nur noch wenige Meter von dem Eingang entfernt war, kam ihm der Angeklagte entgegen. Nach der Vorstellung erklärte der Beamte, er wolle nunmehr mit der Prüfung beginnen. Nun offenbarte der Angeklagte seine Steuerhinterziehung. Das OLG Stuttgart verneinte die Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige aus den vorbezeichneten Erwägungen.

 

Rz. 453

[Autor/Stand] Das Abstellen auf die optische Wahrnehmung ist hingegen mit Recht weder für hinreichend noch für erforderlich zu halten[8], wie es das folgende Beispiel verdeutlicht:

 

Beispiel 7

Der Stpfl. S sieht bereits von Weitem, dass der Betriebsprüfer B, der sich bei ihm angekündigt hat, sich dem Haus des S nähert, dann aber vor Betreten des Grundstücks kehrtmacht, weil er die für die Durchführung der Prüfung erforderlichen Hilfsmittel auf seiner Amtsstelle vergessen hat und noch einmal zurückkehrt. Hier ist die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO noch nicht ausgelöst. S kann noch vor Wiederkehren des B wirksam Selbstanzeige erstatten (sofern kein anderer Sperrgrund verwirklicht ist, insb. nicht bereits zuvor gegenüber einem der tauglichen Adressaten nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde)[9].

Es ist zumindest zu fordern, dass der Prüfer in Prüfungsabsicht bereits das Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen betreten oder die Schwelle zur Wohnungstür des Stpfl. überschritten hat[10]. In diesem Zusammenhang wird daher häufig anschaulich von der "Fußmattentheorie" gesprochen[11]. Zum selben Ergebnis gelangt Westpfahl[12], die als entscheidendes Kriterium auf das Erscheinen des Prüfers in der zurechenbaren "Sphäre" des Betroffenen abstellt. Die auf die optische Wahrnehmung abstellende Gegenansicht (s. Rz. 452) führt zu einer unangemessenen Vorverlagerung der Sperrwirkung[13].

 

Rz. 454

[Autor/Stand] Andererseits tritt die Ausschlusswirkung nicht erst mit Prüfungsbeginn ein[15]. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO kommt deshalb auch dann zur Anwendung, wenn

  • der zur Prüfung entschlossene Amtsträger in der Wohnung des Stpfl. niemanden antrifft und er eine entsprechende Nachricht über den vergeblichen Prüfungsversuch zurücklässt[16] oder der Stpfl. ihm nicht öffnet oder sich verleugnen lässt[17] oder
  • er sich nach seinem Erscheinen aus bestimmten Gründen nach pflichtgemäßem Ermessen dazu entschließt, den Zeitpunkt des Prüfungsbeginns auf einen anderen Tag zu verschieben[18].
  • Auch die zeitweilige Unterbrechung der Prüfung hindert nicht den Eintritt der Sperrwirkung[19]. Die Selbstanzeigemöglichkeit lebt erst mit Abschluss der Außenprüfung wieder auf (dazu s. Rz. 517 ff.).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 AO Rz. 211; Beckemper in HHSp., § 371 AO Rz. 150; Mösbauer, NStZ 1989, 11; Arendt, ZfZ 1985, 267; von Fürstenberg, NWB 1985, Fach 13, 643.
[3] Beckemper in HHSp., § 371 AO Rz. 150; Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 225; Burkhard, wistra 1998, 216 f.; Mösbauer, StBp 1997, 57; Lüttger, StB 1993, 372 (376).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[5] OLG Stuttgart v. 22.5.1989 – 3 Ss 21/89, DB 1989, 2576 in nachst. Beispiel; Mösbauer, NStZ 1989, 11; Scheurmann-Kettner in Koch/Scholtz5, § 371 AO Rz. 26.
[6] OLG Stuttgart v. 22.5.1989 – 3 Ss 21/89, DB 1989, 2576; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 AO Rz. 211.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[8] So auch Beckemper in HHSp., § 371 AO Rz. 150; Kohler in MünchKomm/StGB3, § 371 AO Rz. 226; Wassmann, ZfZ 1990, 242 (243).
[9] Ebenso Beckemper in HHSp., § 371 AO Rz. 150 f.; vgl. auch Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, 1987, S. 54; im Ergebnis auch Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 215.
[10] Ebenso Brenner, StBp 1979, 1; Burkhard, wistra 1998, 218; Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 225.
[11] So z.B. Wulf, Stbg 2013, 269; Heuel, AO-StB 2010, 317; Burkhard, wistra 1998, 216 f.
[12] Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, 1987, S. 54, 61.
[13] So zutr. Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, 1987, S. 54.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[15] Vgl. dazu näher Mösbauer, StBp 1997, 57 (58).
[16] Vgl. OLG Oldenburg v. 11...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge