Rz. 26

[Autor/Stand] Die Selbstanzeige ist ein Fremdkörper im deutschen Strafrecht. Der Staat kommt dem Steuerhinterzieher mit der Regelung des § 371 AO in einer Weise entgegen, die dem deutschen Strafrecht (von der Ausnahme des § 266a Abs. 6 StGB im Beitragsstrafrecht und § 261 Abs. 8 StGB bei der Geldwäsche abgesehen, dazu Rz. 828 f.) unbekannt ist: Er gewährt auch dann noch die Chance auf rückwirkende Straffreiheit, wenn die Tat – rechtlich vollendet oder beendet – bereits mehrere Jahre zurückliegt und dem Täter die finanziellen Vorteile in vollem Umfang zugeflossen sind.

 

Rz. 27

[Autor/Stand] Im StGB sind die mehr oder weniger weitgehenden Vorschriften über den strafbefreienden Rücktritt oder über die tätige Reue (§§ 24, 31, 83a, 87 Abs. 3, § 98 Abs. 2, § 129 Abs. 6, § 139 Abs. 4, §§ 158, 264 Abs. 6, §§ 306e, 314a, 320, 330b StGB) ungeachtet ihrer Verschiedenheiten stets an die Voraussetzung gekoppelt, dass der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs oder der sich aus der Tat ergebenden Nachteile verhindert oder zu verhindern versucht. Ein strafbefreiender Rücktritt vom vollendeten Delikt ist aber ausgeschlossen. Wiedergutmachungshandlungen, wie sie § 371 Abs. 1 und 3 AO vorsieht, haben im allgemeinen Strafrecht lediglich bei der Strafzumessung als Strafmilderungsgrund Gewicht (vgl. § 46 Abs. 2 StGB). Daneben können sie über den in § 46a StGB geregelten Täter-Opfer-Ausgleich nicht nur strafmildernd berücksichtigt werden, sondern sogar, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirkt ist, zum Absehen von Strafe führen (zum Verhältnis des § 371 AO zu § 46a StGB s. näher Rz. 826).

Gleichwohl bleibt § 371 AO eine gesetzgeberische "Rechtswohltat", deren Zulässigkeit und Berechtigung von jeher umstritten war und ist[3].

 

Rz. 28

[Autor/Stand] Im Außenwirtschaftsstrafrecht hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.9.2013 mit § 22 Abs. 4 AWG eine bußgeldbefreiende Selbstanzeigemöglichkeit eingeführt. Nach dieser Regelung unterbleibt die Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften als Ordnungswidrigkeit in den Fällen des § 19 Abs. 25 AWG, sofern der Verstoß fahrlässig begangen, im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt und der zuständigen Behörde angezeigt wurde.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[3] So wörtlich: BayObLG v. 3.11.1989 – RReg 4 St 135/89, BayObLGSt 1989, 145 (154); vgl. aber auch BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133 (1134); Kohler in MünchKomm/StGB3, § 371 AO Rz. 18.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021

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