Rz. 1534

[Autor/Stand] Einfuhrverstöße werden vermehrt auch im Internethandel und im Postversand begangen[2]. Hierzu hat der EuGH auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 17.11.2011 (s. Beispiel Rz. 1534.1) entschieden, dass auch ein ebay-Verkäufer für die Einfuhrabgaben beim Schmuggel von Waren aus Drittländern in die EU haftet.

 

Rz. 1534.1

[Autor/Stand] Davon unabhängig stellt sich aber die Frage, ob sich bei einem derartigen "Ameisenschmuggel" die Beteiligten wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO strafbar gemacht haben.

 

Beispiel 65

V vermittelte für den Lieferanten A aus China den Verkauf von Waren über eine Internetplattform zur Auktion. A lieferte durch die Deutsche Post AG direkt an die deutschen Besteller, wobei über den Inhalt und den Wert der Waren mit der Zollinhaltserklärung CN22 (Päckchen und Briefe mit Wareninhalt) bzw. CN23 (Pakete) falsche Erklärungen abgegeben wurden.

Für die Zollabfertigung im Postverkehr gelten Sonderbestimmungen[4]. Warenpost International Sendungen erfordern immer eine Zollinhaltserklärung. Welches Dokument erforderlich ist (CN22 oder CN23), richtet sich nach dem Warenwert. Die Angaben auf der Zollinhaltserklärung dienen dem Zoll zur Ermittlung der (länderindividuellen) Zölle und Einfuhrumsatzsteuern, die vom Empfänger eingezogen werden. Zum Teil werden darüber hinaus Zollgestellungs- bzw. Zollabfertigungsgebühren erhoben. Die Zollinhaltserklärung ist die Erklärung des Versenders an den Postdienstleister für die Zollabwicklung. Adressat ist die Zollbehörde. Die Post ist befugt, in Vertretung des Empfängers Zollanmeldungen abzugeben (§ 5 Abs. 2 ZollVG). Bei Anhaltspunkten für eine verbotswidrige Verbringung legt sie die Sendungen der zuständigen Zollstelle zur Nachprüfung vor (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ZollVG). Paketsendungen mit einem Wert von nicht mehr als 22 EUR sind von der Beförderungspflicht des Art. 139 Abs. 1 UZK und der Anzeigepflicht befreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b ZollV).

Gestellungspflichtig i.S.v. Art. 139 Abs. 1 Buchst. a, c UZK ist der Postdienstleister. Im Internationalen Postzentrum in Frankfurt a.M. prüft die Post in eigener Regie, ob die Sendung gestellungsfrei ist. Weidemann[5] ist der Ansicht, dass das unrichtige Ausfüllen der CN-Erklärung (Zollinhaltserklärung) nur dann den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt, wenn die Post die Sendung gestellt. Allerdings ist dann der Vorsatz fraglich, da die Einhaltung der Zollformalitäten dem Absender, also im Beispiel dem A, obliegt. Gestellt die Post nicht, ist die unrichtige Angabe des Urhebers der Zollinhaltserklärung nicht gegenüber der Finanz-/Zollbehörde gemacht, womit der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO entfällt. Dann ist jedoch ein strafbarer Versuch des Versenders denkbar[6].

 

Rz. 1534.2

[Autor/Stand] Für Kleinsendungen unter 22 EUR mussten bislang keine summarische Anmeldungen abgegeben werden. Wurden die Waren in diesem Fall direkt an den Empfänger geliefert, entstand die Zollschuld durch das vorschriftswidrige Verbringen (Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK). Die Waren wurden zwar pflichtwidrig nicht gestellt, aber die Postangestellten handelten insoweit ohne Vorsatz. Auch eine Strafbarkeit des Empfängers wegen unterlassener Anmeldung schied aus, weil der Taterfolg bereits durch das Verbringen eingetreten war und der Empfänger hierfür keinen kausalen Beitrag geleistet hatte. Für eine strafrechtlich sanktionierte Berichtigungspflicht i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 AO fehlt es an einer eigenen falschen Erklärung. Der Versender hat sich trotz der falschen Zollinhaltserklärung CN nicht gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar gemacht, da die Ware nicht den Zollbehörden gestellt wurde. Eine Strafbarkeit wegen unterlassener Gestellung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitert an seiner fehlenden Pflichtenstellung. Angesichts der bestehenden Strafbarkeitslücken werten Retemeyer/Möller[8] die Unterlassensvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht als Sonderdelikt, sondern Täter könne auch sein, wer nicht Steuerschuldner oder Stpfl. ist. Damit könnten auch der Versender und der Vermittler mittelbare Täter der durch das vorschriftswidrige Verbringen des Postdienstleisters hinterzogenen Einfuhrabgaben sein (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 StGB). Weidemann sieht dagegen die Verhinderung der Gestellung durch die Post nicht als Unterlassen, sondern als Handlung i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO an, verneint im Ergebnis aber eine Strafbarkeit, weil die Angaben gegenüber der Post und damit nicht gegenüber einer FinB i.S.d. Tatbestandes gemacht werden.

Die Rechtslage entspricht der bei der pflichtwidrigen Nichtgestellung (s. Rz. 1531).

 

Rz. 1534.3

[Autor/Stand] Mit der EU-MwSt-Reform 2021 hat sich die Rechtslage zum 1.7.2021 geändert[10]. Die Freigrenze für den Import von Sendungen aus Nicht-EU-Ländern von unter 22 EUR ist ab dem 1.7.2021 entfallen. Damit müssen für sämtliche Kleinsendungen Zollanmeldungen abgegeben werden, die automatisiert im IMPOST-Verfahren abgewickelt ...

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