aa) Allgemeines

 

Rz. 1029.18

[Autor/Stand] Zwar hat der BGH die Höhe der hinterzogenen Steuern als Hauptkriterium der Strafzumessung angesehen, jedoch bedeutet dies auch nach der Entscheidung vom 2.12.2008 nicht, dass die Strafzumessung sich allein an der Höhe der hinterzogenen Beträge orientieren dürfte (s. Rz. 1029.4)[2]. Dem würde schon die gesetzgeberische Wertung des § 46 StGB widersprechen, da die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB beschriebenen Strafzumessungstatsachen auch im Steuerstrafrecht anzuwenden sind. Der BGH hat sich in der Entscheidung vom 2.12.2008 sowie den nachfolgenden Entscheidungen zur Strafzumessung[3] neben dem Hinterziehungsbetrag auch zu weiteren Strafzumessungskriterien geäußert. Legt man die vom BGH aufgeführten – für sich aber nicht abschließenden – Strafzumessungskriterien zugrunde, so ist von den nachfolgenden Grundsätzen auszugehen.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2019
[2] BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528 (531).
[3] BGH v. 7.2.2012 – 1 StR 525/11, ZWH 2012, 148 = StV 2012, 473; BGH v. 22.5.2012 – 1 StR 103/12, ZWH 2012, 279 m. Anm. Beckschäfer = wistra 2012, 350.

bb) Beweggründe und Ziele des Täters

 

Rz. 1030

[Autor/Stand] Strafmildernd wirkt sich ein Handeln aus wirtschaftlicher Not oder zur Rettung eines Unternehmens aus[2]; strafschärfend dagegen Gewinnsucht[3]. Hintergrund ist, dass nachvollziehbare, verständliche Motive grundsätzlich strafmildernd zu berücksichtigen sind. Nicht nachvollziehbare Motive dürfen hingegen nicht strafschärfend herangezogen werden.[4] Die Rettung des Betriebs, der Erhalt von Arbeitsplätzen sowie wirtschaftliche Notlangen haben als Beweggrund des Täters erhebliche praktische Bedeutung, da eine nicht unerhebliche Anzahl der begangenen Steuerhinterziehungen aus jenen Motiven erfolgen. Da das Merkmal des "groben Eigennutzes" nicht mehr Teil des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist, ist die strafschärfende Berücksichtigung von mangelndem sozialen Bewusstsein oder grobem Eigennutz nicht mehr durch das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) untersagt. Bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung kann beispielsweise berücksichtigt werden, dass ein GmbH-Geschäftsführer, sich nicht selbst bereichern wollte, sondern einen Großteil der unversteuerten Umsätze und privat vereinnahmten Gelder für unversteuerte Lohnzahlungen an Arbeitnehmer der GmbH verwendet hat[5].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2019
[2] Hierzu BGH v. 24.9.1986 – 3 StR 263/86, wistra 1987, 100; Heintschel-Heinegg in BeckOK/StGB42, § 46 StGB Rz. 32 (Stand: 1.5.2019).
[3] Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe nach § 41 StGB wegen des bei der Steuerhinterziehung offenbarten übersteigerten Gewinnstrebens: BGH v. 24.8.1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60 (65 f.) = wistra 1983, 152.
[4] BGH v. 7.6.2017 – 2 StR 30/16, NStZ-RR 2017, 336.
[5] BGH v. 4.3.1987 – 3 StR 623/86, wistra 1987, 211.

cc) Tatgesinnung und der bei der Tat aufgewendete Wille

 

Rz. 1031

[Autor/Stand] Zu berücksichtigen sind des Weiteren die Gesinnung des Täters sowie der bei der Tat aufgewendete Wille. Unter Gesinnung i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB ist nicht die allgemeine Gesinnung des Täters, sondern die Einzeltatgesinnung zu verstehen[2]. Im Steuerstrafrecht sind besondere Gesinnungen jedoch selten. Lediglich in Ausnahmefällen handelt der Täter aus politischen oder religiösen Überzeugungen heraus[3]. Der bei der Tat aufgewendete Wille ist hingegen ein wichtiger Gesichtspunkt bei Steuerdelikten. Sowohl die Art der Tatausführung sowie der bei der Tat aufgewendete Wille können wesentliches Indiz für die kriminelle Energie des Täters sein[4] wie z.B. sorgfältige Planung, besonders raffiniertes, professionelles und systematisches Vorgehen[5], langer Tatzeitraum[6], Angehörigkeit zur Führungsebene einer Bande[7], tägliches Vornehmen von Verschleierungshandlungen i.S.v. § 370 AO über viele Jahre hinweg[8], Unbeeindrucktlassen von Vorstrafen. So hat der BGH mit Urteil vom 25.4.2017 entschieden, dass das systematische Vorgehen im Rahmen eines fortgesetzt und bandenmäßig betriebenen Hinterziehungsmodells zur Verkürzung von Steuern in Millionenhöhe ein besonderes Maß krimineller Energie aufzeigt und daher zu Recht bei der Bemessung der Einzelstrafen in den Vordergrund gestellt wurde.[9] Auch die Nutzung ausländischer Briefkastenfirmen oder intransparenter Treuhandverhältnisse kann als Ausdruck hoher krimineller Energie strafschärfend berücksichtigt werden.[10] Aktivitäten, die von vornherein auf eine Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, sind strafschärfend zu berücksichtigen[11]. Das Gleiche gilt für Tatbegehungen, bei denen das "Finanzamt als Bank" (so der BGH wörtlich) betrachtet worden sei oder der Täter die Steuerhinterziehung gar "als Gewerbe betrieben" hat[12]. Strafschärfend ist ebenso zu berücksichtigen, wenn der Täter ein aufwendiges Täuschungssystem aufbaut, Sachverhalte systematisch verschleiert oder unrichtige oder verfälschte Belege zu Täuschungszwecken verwendet. Gleiches gilt für den Aufbau und das Betreiben besonderer, auf die Steuerhinterziehung ger...

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