Rz. 716

[Autor/Stand] Auch beim Unterlassungsdelikt ist ein Versuch möglich. Einigkeit herrscht dabei wohl insoweit, dass der Versuch durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO (s. zum tatbestandsmäßigen Verhalten Rz. 271 ff.) erst dann beginnen kann, wenn der Zeitpunkt verstrichen ist, zu dem die steuerlichen Angaben spätestens hätten abgegeben werden müssen[2] bzw. ab dem die Steuerzeichen spätestens benutzt werden mussten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Unterlassen sowohl nach Nr. 2 als auch nach Nr. 3 pflichtgemäß und kann daher keinen (Versuchs-)Unrechtsvorwurf begründen (s. das Beispiel Rz. 719). Vollendung tritt hier bei den Veranlagungssteuern ein, wenn sämtliche Veranlagungsarbeiten in einem Bezirk abgeschlossen sind (s. Rz. 413 ff.) bzw. bei (zu niedriger) Schätzung durch die FinB (s. Rz. 414). Bei den Anmeldesteuern ist das Verstreichen des für die Anmeldung vorgegebenen Termins entscheidend (s. Rz. 416).

 

Rz. 717

[Autor/Stand] Da bei den Veranlagungssteuern die Fristen (vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO) aber nach § 109 AO verlängert werden können und die Gewährung einer generellen Fristverlängerung für Besteuerungszeiträume bis zum 31.12.2017 nach § 109 AO[4] noch dazu davon abhängig war, ob der Stpfl. einen Steuerberater beauftragt hatte oder nicht (s. jetzt § 149 Abs. 3 AO), ist die Bestimmung des strafrechtlich relevanten Zeitpunkts, zu dem der Versuch frühestens beginnen kann (s. Rz. 716), zweifelhaft und umstritten[5]. Als relevante Zeitpunkte kommen, wenn nicht weitere Verlängerungen gewährt werden, bei steuerlicher Beratung des Stpfl. in Frage

  • der 31.12. des Folgejahres (Art. 97 § 10a Abs. 4 Satz 1 EGAO: bis 2017)[6]
  • bzw. nunmehr der 28.2. des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres (§ 149 Abs. 3 AO, mit Sonderregelung für Landwirte).

Bei fehlender Beratung kommen in Betracht

  • der 31.5. des Folgejahres (bis 2017)[7]
  • bzw. nunmehr der 31.7. des Folgejahres (§ 149 Abs. 2 AO)

oder unabhängig von einer Beratung

  • der 31.12. des Folgejahres (bis 2017)[8] oder
  • der 28.2. des zweiten auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres[9].

Die Verlängerung der Frist nach § 149 Abs. 3 AO ist von einer bereits erfolgten Beauftragung des Steuerberaters abhängig[10].

 

Rz. 718

[Autor/Stand] Das alleinige Abstellen auf die Fristversäumung[12] hat den Vorteil der Klarheit. Berücksichtigt wird damit aber nicht, dass zur Tatbestandsverwirklichung nicht allein die Fristversäumung, sondern auch der Erfolgseintritt gehört; dieser kann zu den genannten Zeitpunkten aber noch weit entfernt sein (s. Rz. 706). Erst mit Annäherung an den Abschluss der Veranlagungsarbeiten (s. Rz. 413) tritt nach Vorstellung des Täters eine Gefährdung des geschützten Rechtsguts ein, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt das unmittelbare Ansetzen zu bejahen ist[13]. Der Täter muss sich dabei – was unrealistisch wäre[14] – kein konkretes Datum vorstellen; es reicht das (wegen des Vorsatzes auf Herbeiführung des Hinterziehungserfolgs notwendig vorhandene) Wissen, dass der Verkürzungserfolg unmittelbar mit Herannahen des Zeitpunkts bevorsteht, zu dem die Bearbeitung des eigenen Steuerfalls unterbleibt. Deshalb ist das objektive Ende der Veranlagungsarbeiten entscheidend. Da eine Fristverlängerung nach § 109 AO durch Verwaltungsakt (§ 118 AO) gewährt wird, führt der Wegfall der für die Verlängerung maßgeblichen Gründe nicht automatisch dazu, dass die Verlängerung hinfällig würde[15]. Gegen diese Berücksichtigung des Eintritts einer Gefahr für das geschützte Rechtsgut zur Bestimmung des Versuchsbeginns spricht insb. nicht, dass der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Vornahme einer Handlung ausdrücklich bestimmt hat[16]. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die allgemeinen strafrechtlichen Regeln zum Versuchsbeginn mit der Voraussetzung, dass der Erfolgseintritt nahe bevorstehen muss (s. Rz. 706), durch eine steuerrechtliche Fristbestimmung außer Kraft gesetzt sein sollten.

Ist eine Steuerklärung nach Überschreiten der Grenzen der Bundesrepublik "unverzüglich" (so § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG; s. auch § 144 Abs. 2 BranntwMonG (bis 31.12.2017) und § 12 Abs. 2 Satz 1 KaffeeStG[17]) abzugeben, ist für den Eintritt der Vollendung entscheidend, ob der Stpfl. am nächsten Zollamt vorbeifährt[18] (s. auch Rz. 420). Praktisch ist in diesen Fällen ein Versuch wie bei den Anmeldesteuern (s. Rz. 719) nur ausnahmsweise vorstellbar, da die Vollendung (verspätete Festsetzung nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO) unmittelbar anschließend eintritt, wenn die Abgaben bei pflichtgemäßer Erklärung sofort an der Grenze festgesetzt werden.

 

Rz. 719

[Autor/Stand] Bei den Anmeldesteuern (Fälligkeitssteuern) nach § 150 Abs. 1 Satz 3 AO, bei denen der Stpfl. die Steuern selbst zu berechnen hat, gibt es dagegen kein Versuchsstadium, wenn es nicht zu einer Herabsetzung oder Vergütung kommt (§ 168 Satz 2 AO). Mit dem Verstreichenlassen der Abgabefrist tritt der Taterfolg, die nicht rechtzeitige Festsetzung der Steuer i.S.d. § 370 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AO, bereits ein, da die...

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