Rz. 1340

[Autor/Stand] Bei Schwarzarbeit sind bei der Berechnung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nach § 266a StGB die Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu beachten. Danach ist bei illegaler Beschäftigung stets von einer Nettolohnvereinbarung auszugehen, auch wenn dies zu einem Bruttoarbeitsentgelt führen kann, das den Wert der Arbeitsleistung übersteigt (s. auch Rz. 1029.8)[2]. Diese unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen für die Hinterziehung von Lohnsteuer (s. Rz. 1325.2) und Sozialversicherungsbeiträgen hält der BGH angesichts des gesetzgeberischen Zwecks des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV[3] für legitim[4].

 

Rz. 1340.1

[Autor/Stand]"Illegalität" i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist in objektiver Hinsicht schon dann gegeben, wenn die Verletzung der Arbeitgeberpflicht die Beschäftigung selbst betrifft oder einen im öffentlichen Recht wurzelnden, spezifischen Bezug zu ihr hat; als subjektives Element der "Illegalität" muss aber einschränkend der – mindestens bedingte – Vorsatz verlangt werden[6].

 

Rz. 1340.2

[Autor/Stand] Auch gegen die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei Teilschwarzlohnzahlungen hat der BGH keine Bedenken[8]. In gleicher Weise könnten dann zur Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge die Teilschwarzlohnzahlungen auf ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoentgelt hochgerechnet werden[9].

 

Rz. 1340.3

[Autor/Stand] Zur Konkurrenz von § 266a Abs. 1 und § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB s. Rz. 1343.4. Zur Einziehung von Taterträgen bei § 266a StGB s. Rz. 1340.5[11].

 

Rz. 1340.4

[Autor/Stand] Den Verjährungsbeginn bei § 266a StGB hat der BGH nunmehr neu bestimmt.

In st. Rspr. hatte der BGH bislang geurteilt, dass im Falle eines Vorenthaltens beziehungsweise Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und 2 StGB die Taten erst beendet sind, wenn die Beitragspflicht erloschen ist[13]. Das gründete auf der Einschätzung der Tatbestände als echte Unterlassungsdelikte, bei denen Vollendung und Beendigung im Regelfall zeitlich erheblich auseinanderfallen. Die h.M. bezog sich in diesem Zusammenhang auf § 25 SGB IV, was im Ergebnis eine maximale Verjährungsfrist von über 40 Jahren zur Folge hatte. Erstmals hat der 1. Strafsenat des BGH i.S.d. bisherigen Mindermeinung und entgegen der bisherigen Rechtsprechung aller Senate entschieden, dass die Verjährung für Taten nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB bereits mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunkts der Sozialversicherungsbeiträge nach § 23 SGB IV – und nicht erst mit Erlöschen der Beitragspflicht – zu laufen beginnt[14].

Dem sind auf den Anfragebeschluss des 1. Strafsenats[15] bei den übrigen Strafsenaten gem. § 132 Abs. 2, 3 GVG auch der 3. und 5. Strafsenat des BGH gefolgt[16].

Gleiches gilt für den Beginn der Verfolgungsverjährung beim Bußgeldverstoß der Nichtzahlung von Mindestlohn[17]

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[2] BGH v. 8.6.2011 – 1 StR 213/11, wistra 2011, 344 = BFH/NV 2011, 1647 = ZWH 2011, 111 m. Anm. Spatscheck/Albrecht; BGH v. 10.11.2009 – 1 StR 283/09, NStZ 2010, 635 f.; a.A. Trüg, DStR 2011, 727, (729), unter Hinweis auf den Zweifelssatz; s. aber BGH v. 21.10.2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90.
[3] Vgl. zu dieser zwecks Bekämpfung der illegalen Beschäftigung mit Gesetz v. 1.8.2002, BGBl. I 2002, 2787, eingeführten Norm die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/726, 3 f.
[4] Vgl. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528 (530) = EWiR 2009, 219 (Floeth) = ZIP 2009, 473 = wistra 2009, 107, zit. oben in Rz. 1029.8.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[6] BSG v. 9.11.2011 – B 12 R 18/09 R, DStR 2012, 662, m. Anm. Lübbersmann, PStR 2012, 171, dort auch zur Lohnsteuerklasse VI.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[8] BGH v. 14.6.2011 – 1 StR 90/11, wistra 2011, 344; BGH v. 7.10.2009 – 1 StR 320/09, wistra 2010, 29.
[9] Zu den notwendigen Urteilsfeststellungen zur Höhe des zu zahlenden Arbeitsentgelts und des Beitragssatzes einer Krankenkasse sowie zur Berechnung des fiktiven Bruttoentgelts bei teilweiser illegaler Beschäftigung vgl. BGH v. 8.2.2017 – 2 StR 375/16, wistra 2017, 349.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[11] Vgl. dazu auch BVerfG v. 17.4.2015 – 2 BvR 1986/14, HRRS 2015, Nr. 519 = ZWH 2015, 266 m. Anm. Hüls = wistra 2015, 348.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[13] So zuletzt noch der 1. Strafsenat des BGH: BGH v. 19.12.2018 – 1 StR 444/18, ZWH 2019, 91 m. Anm. Rolletschke.
[14] BGH v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19, BB 2020, 1761 m. Anm. Buse/Duda, BB 2020, 1765; Lange/Borgel, ZWH 2020, 216, 217 = wistra 2020, 109; Nolte/Neuber, jurisPR-Compl 1/2020 Anm. 2.
[15] Vgl. 1. Strafsenat des BGH v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19.
[16] Vgl. 3. Strafsenat des BGH v. 4.2.2020 – 3 AR 1/20; 5. Strafsenat des BGH v. 6.2.2020 – 5 AR 1/20.
[17] AG Potsdam v. 16.3.2021 – 73 OWi 466 Js-OWi 45665/20 (586/20), juris Rz. 6.

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