StaRUG: Arbeitnehmeranteile

Dieser Beitrag untersucht Arbeitnehmeranteile bei Unternehmensrestrukturierungen, strafrechtliche Punkte und Auswirkungen auf Arbeitnehmerrechte. Zudem wird die europäische Restrukturierungsrichtlinie und ihre Umsetzung in Deutschland in Bezug auf Insolvenzvermeidung und Kapitalmarktunion besprochen. (redaktioneller Teaser)

Arbeitnehmeranteile

In Umsetzung der Erwägungsgründen (1) des europäischen Gesetzgebers für die innerstaatliche Umsetzung legt § 4 Nr. 1 StaRUG (2) das Nichteinbeziehen der Forderungen von Arbeitnehmern für das Verfahren der Restrukturierung fest. Streitig wird allerdings derzeit diskutiert, ob damit auch die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung erfasst und damit deren Nichtabführen weiterhin gem. § 266a StGB (auch unter dem Gesichtspunkt des ommissio libera in causa (3)) strafbar ist (4).

§ 266a StGB bestraft als kriminelles Unrecht zum Schutz des Beitragsaufkommens der Sozialgemeinschaft zum einen Täuschungsfälle (insbesondere der illegalen Beschäftigung) und zum anderen die unterlassene Abführung der Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung. Von § 266a Abs. 1 StGB sind nur die Beiträge des Arbeitnehmers erfasst. Der strafrechtliche Schutz betrifft somit den wirtschaftlich vom Arbeitnehmer zu tragenden Teil der Beitragslast zur Daseinsvorsorge (die Ausführung nimmt der Arbeitgeber quasi treuhand-ähnlich vor).

Entgegen der im Zivilrecht vorherrschenden Meinung werden daher bei unterlassener Abführung Arbeitnehmerrechte geschmälert, weshalb auch die erste veröffentlichte Entscheidung von der (weiteren) Anwendbarkeit der Strafbewehrung des Nichtabführens ausgeht (5).

Für einbehaltene und nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile haften Geschäftsleiter mit ihrem gesamten Vermögen (§ 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB); bei mehreren Geschäftsleitern haften diese aufgrund ihrer (auch gegenseitigen) Überwachungspflicht gesamtschuldnerisch (§ 421 ff. BGB).

Fazit

Der europäische Gesetzgeber hat mit der Restrukturierungsrichtlinie (und der deutsche Gesetzgeber mit der Umsetzung in SanInsFoG/SanInsKG/StaRUG) einen wirksamen Beitrag zur Förderung von Sanierungen und Vermeidung von Insolvenzen sowie zu einer funktionierenden Kapitalmarktunion geschaffen.

Das StaRUG geht dabei im Grundsatz von einem funktionsfähigen deutschen Insolvenzrecht und einer funktionierenden Praxis außergerichtlicher Sanierungsbemühungen aus. Es versucht aber eine Lücke zu schließen, die bestand, wenn erfolgversprechende und für alle Beteiligten vorteilhafte, außergerichtliche Sanierungsbemühungen am Widerstand weniger „Akkordstörern“ scheitern (6).

Dabei wird zum Schutz der Gläubiger in ihrer Gesamtheit die zivilrechtliche Haftung der verantwortlichen Organmitglieder der in diesem Verfahren zu sanierenden („restrukturierenden“) Unternehmung verschärft.

Weiterhin – und eben auch im Restrukturierungverfahren – bestehen, wie bei fast allen Sanierungsbemühungen, erhebliche strafrechtliche Risiken. Bei gescheiterter Sanierung ist deshalb auch in diesem Verfahren mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu rechnen.


(1) Erwägungsgründe 20 AB1. L 172/22; vgl. hierzu auch RegE BT-Drucks. 19/24181, S. 114 f., wo zu Nr. 1 festgehalten ist, dass Restrukturierung nur „unter Beachtung der allgemeinen kollektiv- und individualarbeitsrechtlichen Regelungen vorgenommen werden“ müssten.

(2) § 4 Nr. 1 StaRUG: Arbeitnehmerforderungen als von der Gestaltung durch den Restrukturierungsplan ausgenommene Rechtsverhältnisse.

(3) BGH v. 28.05.2002, Az.: 5 StR 16/02 und LG Freiburg v. 07.05.2019, Az.: 4/17 8 Ns 81 Js 1825/13.

(4) Richter, ZInsO 39/2021, S. 2013; zust. Bittmann/Cramer, wistra 2022, 149 ff; aA die ganz überwiegende zivilrechtliche Lit.; vgl. nur Bitter, GmbHR 2022, 57 ff. m. Nachw.

(5) AG Ludwigshafen v. 12.12.2022, Az.: 3a IN 389/22 Lu, ZIP 2023, 486 ff.

(6) Krüger, a.a.O., (Fn. 9), S. 21.