StaRUG: Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement

Mit der in § 1 StaRUG normierten Überwachungspflicht wurde eine allgemeine und rechtsformübergreifende Regelung zu Krisenfrüherkennungs- und Reaktionspflichten der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger geschaffen.

Im Kapitalgesellschaftsrecht sind fortlaufende Überwachungspflichten der Unternehmensleitung bereits anerkannt (1). Die Geschäftsleiter trifft zudem nach der Rechtsprechung die Pflicht, laufend die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu kontrollieren (2). § 1 StaRUG umfasst aber nicht nur die Pflicht zur Selbstkontrolle, sondern auch zur Risikofrüherkennung, die mit der Ausstrahlungswirkung des § 91 Abs. 2 AktG begründet wird (3).

Die krisenunabhängigen Pflichten verschärfen sich, je mehr sich die krisenbehaftete Situation der Unternehmung verstärkt.

Die Selbstprüfungspflicht wird im Wesentlichen aus einer Gesamtschau derjenigen Vorschriften abgeleitet, die Pflichten des Geschäftsleiters für den Fall einer Krisensituation normieren:

GmbH

Um die Pflichten aus §§ 5a Abs. 4, 30, 43 Abs. 3, 43a, 49 Abs. 2 und 3 GmbHG, insbesondere auch aus §§ 15b und 15a Abs. 1 InsO (4), erfüllen zu können, muss sich der Geschäftsleiter laufend über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft informieren.

Auch die Pflicht zur Rechnungslegung (§ 41 GmbHG i. V. m. §§ 238 ff. HGB) ist ebenso Teil der Pflicht zur wirtschaftlichen Selbstkontrolle, wie die in § 43 Abs. 1 GmbHG normierte Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns, sich ständig ein Bild über die Vermögens- und Schuldverhältnisse zu machen.

Aktiengesellschaft

Wie bei der GmbH wird die Pflicht zur finanziellen Selbstkontrolle hauptsächlich auf die allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstandes auf § 93 Abs. 1 S. 1 AktG gestützt. Hinzu kommen die speziellen und insolvenz- oder gesellschaftsrechtliche Organpflichten der §§ 91 Abs. 2, 92 Abs. 1 AktG, insbesondere auch §§ 15b und 15a Abs. 1 InsO.  

Wie im GmbH-Recht ist die Prüfung der wirtschaftlichen Lage auch im Recht der AG somit keine Neuigkeit. Es handelt sich um einen bereits bestehenden Teil des Pflichtenkatalogs eines Vorstandes. Gem. § 111 Abs. 1 AktG überwacht der Aufsichtsrat u. a. die Einhaltung dieser Pflichten. Die zivilrechtliche Haftung des Aufsichtsrats bei Überwachungspflichtverstößen richtet sich nach § 116 i. V. m. § 93 AktG.

Personenhandelsgesellschaften

Bei den Personenhandelsgesellschaften muss zunächst zwischen den „reinen“ Personenhandelsgesellschaften (5)  und solchen Gesellschaften unterschieden werden, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter ist (typische, aber keinesfalls alleinige, hierfür erwählte Gesellschaftsform ist die GmbH & Co.KG).   Für diese Gesellschaften gelten die nach §§ 15b und 15a InsO normierten Organpflichten, vergleichbar mit denen der Kapitalgesellschaften. Eine ausdrückliche Normierung der Pflicht zur wirtschaftlichen Selbstprüfung besteht bei Personenhandelsgesellschaften nicht. Vielmehr ergeben sich die Pflichten der geschäftsführenden Personengesellschafter (Komplementäre) aus dem Gesellschaftsverhältnis selbst (6). Im Zentrum stehen die im Gesellschaftsvertrag mit dem Gesellschaftszweck normierten Pflichten, wonach alle Komplementäre (bzw. geschäftsführenden Gesellschafter der OHG) verpflichtet sind (Treupflicht), die so definierten Interessen der Gesellschaft zu wahren. Aus dieser Bindung der Komplementäre an den Gesellschaftsvertrag bzw. den Geschäftszweck wird auch die Pflicht zur ständigen Prüfung der wirtschaftlichen Situation abgeleitet (7).

Die zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen diese Sorgfaltspflichten ist in § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. in § 93 Abs. 2 AktG normiert.

Bei Personenhandelsgesellschaften ergibt sich die Haftung gegenüber den anderen Gesellschaftern beim Verletzen von strafrechtlichen Schutzgesetzen aus § 823 Abs. 2 BGB.

Zwischenergebnis

Demgemäß wäre es nicht zwingend erforderlich gewesen, im Rahmen der Umsetzung von Art. 19 RRiL (8) ausdrücklich eine Pflicht zur wirtschaftlichen Selbstprüfung gem. § 1 StaRUG einzuführen. § 1 StaRUG ist deshalb eine Klarstellung der bereits bestehenden Krisenfrüherkennungspflichten (9). Auch die Pflicht zur Sanierung ist für das deutsche Recht nichts Neues (10). Bereits vor Inkrafttreten des StaRUG wurde aus der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 AktG) abgeleitet, dass in einer Krise eine Sanierungsprüfung durchzuführen und geeignete Sanierungsmaßnahmen umzusetzen sind. Bereits eine unterlassene Sanierungsprüfung könnte so zur zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsleiter führen, die aber gerichtlich nur schwer durchsetzbar ist.

Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsleiters können zudem strafrechtliche Relevanz erlangen. Dies ist dann der Fall, wenn die Geschäftsleiter vorsätzlich ihre Vermögensbetreuungspflicht (11) gegenüber der Gesellschaft, den Gläubigern und bei Personenhandelsgesellschaften gegenüber den anderen Kommanditisten und/oder Komplementäre verletzen und sie hierdurch (ebenso vorsätzlich) einen Nachteil in deren Vermögen verursacht haben (Untreue, § 266 StGB). Dieser Nachteil wird – betriebswirtschaftlich – im Rahmen des Prinzips der Gesamtsaldierung zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung in den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden festgestellt.


(1) Krüger, a. a. O. (Fn. 9), S. 132.

(2) BGH v. 06.06.1994, Az.: II ZR 292/91, BGHZ 126, 181.

(3) Eine Solvenz Prognose ist zudem aufgrund der Zahlungsverbote gem. § 15b InsO bei bestimmten   Gesellschaftsformen erforderlich.

(4) Fleischer in MüKo GmbHG, §§ 43 Rn. 63.

(5) Bei diesen Personenhandelsgesellschaften besteht gem. § 15 Abs. 1 InsO ein Recht, aber keine Pflicht, zur Stellung eines Insolvenzantrags.

(6) Krüger, a. a. O. (Fn. 9), S. 135.

(7) BGH v. 13.01.1954, Az.: II ZR 6/53, BB 1954, 143ff.

(8) RL (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rats.

(9) Krüger, a. a. O. (Fn. 9), S. 133 ff.

(10) Krüger, a. a. O. (Fn. 9), S. 169 ff.

(11) BGH v. 27.8.2010, Az.: 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266 ff.

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