§ 57 StARUG: Organhaftung bei unrichtigen Angaben

Dieser Beitrag beleuchtet die Haftung von Organen bei falschen Angaben zur Erlangung einer Stabilisierungsanordnung nach § 57 StaRUG. Dabei werden verschiedene Szenarien betrachtet, u. a. die Verschleierung der Zahlungsunfähigkeit und Mängel im Restrukturierungsplan. (redaktioneller Teaser)

§ 57 StaRUG normiert für die dort genannten Gesellschaften eine zivilrechtliche Haftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gläubigern, die – vorsätzlich oder fahrlässig – aufgrund unrichtiger Angaben eine richterliche Stabilisierungsanordnung erwirken, wenn Gläubiger hierdurch einen Schaden erleiden (1).

Betroffen sind vor allem Gläubiger, deren Restrukturierungsforderungen unrechtmäßig gestaltet bzw. gekürzt oder aufgehoben wurden.

Restrukturierungsunternehmen sind: juristische Personen und Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die keine natürliche Person als Vollhafter haben bzw. wenn deren zur Vertretung berechtigten Gesellschafter aus Gesellschaften besteht, bei denen keine natürliche Person Vollhafter ist (§ 15a Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 InsO).

In der strafrechtlichen Praxis werden folgende Fallgestaltungen im Focus stehen:

1. Es liegt weder drohende Zahlungsunfähigkeit noch materielle Insolvenz vor

Ziel solcher Anzeigen eines Restrukturierungsvorhabens (§ 31 StaRUG), das lehrt die Erfahrung aus dem Insolvenzstrafrecht (2), wird die Erlangung der Stabilisierungsanordnung (§ 29 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG) zur „Entledigung von hartnäckigen oder missliebigen Gläubigern“ sein. Diese sollen im Rahmen der gestaltbaren Rechtsverhältnisse mindestens um Teile ihrer Forderungen gebracht werden.

Solche Fälle begründen den Anfangsverdacht des (Dreiecks-) Betruges (§ 263 StGB) zum Nachteil der Gläubiger: Die nachteilige Verfügung ist die Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens durch den Restrukturierungsrichter, der damit „für“ die Gläubiger eine relevante Gefährdungssituation schafft.

Die Feststellung des Vermögensschadens ist – wie immer – nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung (3) vorzunehmen, was dann Gegenstand der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden sein wird. Ist es (noch) nicht zu einem Schaden gekommen, werden diese prüfen, ob die genannten Handlungen den Verdacht des versuchten Betruges (§ 263 Abs. 2 StGB) begründen.

2. Verschweigen des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit und/oder    Überschuldung vor dem Antrag an das Restrukturierungsgericht

In diesem Fall müsste eine sofortige Anzeige an das Restrukturierungsgericht erfolgen und die Restrukturierungssache ist regelmäßig durch das Gericht aufzuheben. Mit Aufhebung lebt die Insolvenzantragspflicht wieder auf (§ 42 Abs. 4 StaRUG).

Bei Unterlassen liegt eine strafbare Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 1, Abs. 4 InsO) vor; auf die 3-Wochenfrist kann sich der Geschäftsleiter nicht berufen (§ 15a Abs. 1 S. 2 InsO).

Sofern neue Schuldverhältnisse eingegangen und die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden können, liegt zudem der Verdacht des Betruges gem. § 263 StGB durch falsche konkludente Tatsachenerklärung („Ich bin zahlungsfähig“) vor.

Beim Betrug muss durch die Strafverfolgungsbehörden die Feststellung des Vermögensnachteils durch eine (weitere) Wertminderung des Gläubigerforderungen im Rahmen des Prinzips der Gesamtsaldierung (4) erfolgen.

3. Der Restrukturierungsplan ist nicht vollständig und schlüssig wegen vorhandener Verstöße gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung

Ein Restrukturierungsplan besteht analog zum Insolvenzplan aus einem darstellenden Teil (§ 6 StaRUG), einem gestaltenden Teil (§ 7 StaRUG) und aus Anlagen (§ 14 f. StaRUG) (5).

Der darstellende Teil beschreibt die Grundlagen und Auswirkungen des Restrukturierungsplans, enthält die notwendigen Angaben für die Entscheidung der Planbetroffenen soweit sie für die gerichtliche Bestätigung erheblich sind und eine Vergleichsrechnung über die Vorteilhaftigkeit des Verfahrens im Vergleich zu anderen Restrukturierungsmöglichkeiten (z. B. Eigenverwaltungsverfahren, Asset Deal u. a.).

Im gestaltenden Teil wird festgelegt, wie sich die Rechtsstellung der gestaltbaren Rechte verändern, um welchen Bruchteil Restrukturierungsforderungen gekürzt, gestundet oder wie sie gesichert werden.

Die Anlagen des Restrukturierungsplans enthalten die Tatsachen für eine begründete Erklärung zur Sicherstellung der Bestandsfähigkeit und zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit, eine Vermögensübersicht, eine Gewinn- und Verlustplanung und einen Finanzplan (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG – wochenbasierter Finanzplan über den Zeitraum von 6 Monaten). Diese Unterlagen basieren auf den vorhandenen Zahlen der Buchhaltung. Sind diese mangelhaft oder unzutreffend, ist der Restrukturierungsplan nicht vollständig und schlüssig.

Wird aufgrund eines nicht vollständigen und/oder nicht schlüssigen Restrukturierungsplans eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, haften die Geschäftsleiter den betroffenen Gläubigern für den entstandenen Schaden (§ 57 StaRUG).

Haben solche Mängel zur Folge, dass die Buchführung der Unternehmung nicht mehr ordnungsmäßig ist und führt dies zu einem fehlerhaften Jahresabschluss, besteht der Verdacht der unrichtigen Darstellung (§ 331 HGB), sofern die Mängel erheblich sind. Dies ist nach der Rechtsprechung (6) dann der Fall, wenn die Adressaten (Gläubiger, Gesellschafter, Arbeitnehmer) einen falschen Eindruck von der Liquidität erhalten haben bzw. ob sie in ihrem Vertrauen auf die Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft getäuscht wurden.

Nach Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit liegt dann auch der Verdacht des Bankrotts (§ 283 Abs. 1, Nr. 5, 7b StGB) vor, sofern eine der objektiven Bedingung der Strafbarkeit (Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Ablehnung des Eröffnungsantrags, Zahlungseinstellung) eingetreten ist (§ 283 Abs. 6 StGB).


(1) § 57 StaRUG ebenda

(2) So schon Blankenbach/Richter, wistra 1982, 222, 224 zur „gesteuerten Insolvenz“.

(3) Hefendehl, MüKo, 3. Auflage, S. 198 ff., RN 528 ff.

(4) Dierlamm, MüKo, 3. Auflage, S. 741, Rn. 201.

(5) Ibershoff, ZInsO 7/2021, S. 300 f.

(6) BGH v. 16.05.2017, Az.: 1 StR 306/16, RN 38, wistra 2018, 171.

Schlagworte zum Thema:  Compliance, Insolvenz, Strafrecht