Rz. 1572

[Autor/Stand] Da nur Tathandlungen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO strafbar sind, reicht nicht jedes heimliche "steuerunehrliche" Verhalten i.S.d. älteren Rspr. aus. Aufgrund dessen sind bereits eine Vielzahl denkbarer Verhaltensweisen auszuscheiden.

 

Rz. 1572.1

[Autor/Stand] Nicht tatbestandsmäßig ist das Verzögern der Beitreibung durch bloßes Nichtzahlen[3], die gewaltsame Widersetzung gegen einen Vollziehungsbeamten[4] (s. aber § 113 StGB) oder die Flucht ins Ausland, um der Vollstreckung zu entgehen[5].

 

Rz. 1572.2

[Autor/Stand] Ein heimliches Verhalten eines Vollstreckungsschuldners durch Schweigen gegenüber dem FA über den während des laufenden Vollstreckungsverfahrens bei ihm erfolgten Zugang oder Abgang von Vermögensgegenständen und von Vermögenswerten stellt nach Auffassung des FG Münster keine Steuerhinterziehung dar, weil insoweit eine Offenbarungsverpflichtung fehlt[7].

 

Rz. 1572.3

[Autor/Stand] Nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO ist zudem die heimliche Veräußerung einer vom FA gepfändeten Sache[9] sowie die heimliche Übereignung von dem FA zur Sicherheit übereigneten Sachen[10]. In beiden Fällen kommt allein eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) oder ggf. Untreue (§ 266 StGB) in Betracht, nicht aber Pfandkehr (§ 289 StGB) bzw. Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StGB)[11], da § 370 AO insoweit eine abschließende Sonderregelung für die Vereitelung fiskalischer Pfand- und Vollstreckungsrechte trifft.

 

Rz. 1572.4

[Autor/Stand] Die Beitreibung kann aber z.B. durch die Hingabe eines ungedeckten Schecks verzögert werden, wenn dadurch eine drohende Versteigerung abgewendet werden soll[13]. Werden mit dem ungedeckten Scheck neben den Steuerschulden auch steuerliche Nebenleistungen bezahlt, scheidet insofern der Tatbestand des § 370 AO aus, auch eine Betrugstrafbarkeit kommt nicht in Betracht (dazu näher Rz. 387, 1565)[14].

 

Rz. 1573

[Autor/Stand] Eine Stundung (§ 222 AO) wird erschlichen, wenn der Stpfl. Zahlungsunfähigkeit vortäuscht, obwohl ihm ausreichende Mittel zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung stehen[16]. Dass die gestundete Steuer später mit Säumniszuschlägen nachgezahlt wird, ist unerheblich[17]. Eine Stundung liegt auch vor, wenn Teilzahlung gewährt wird[18]. § 370 AO ist dagegen nicht erfüllt, wenn die Stundung einer Einkommensteuervorauszahlung mit der wahrheitsgemäßen Begründung erlangt wird, dass die Jahressteuerschuld bereits durch die bisherigen Vorauszahlungen gedeckt ist[19].

Da die Stundung i.d.R. nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren ist (§ 222 Satz 2 AO), liegt eine ungerechtfertigt erlangte Stundung auch vor, wenn die angebotene Sicherheit wertlos ist[20].

 

Rz. 1574

[Autor/Stand] Das Erlangen eines ungerechtfertigten Erlasses (§ 227 AO) wird in der Rspr. nicht als Vorteilserlangung (s. auch Rz. 433)[22], sondern als Steuerverkürzung angesehen[23]. Hierzu führte das BayObLG[24] aus:

"Der durch die Täuschungshandlung des Angeklagten verursachte Schaden ist darin zu sehen, daß der Steuerfiskus durch die Erlaßverfügung einen Zahlungsanspruch, der nach der wirklichen Sachlage einen Wert besaß, verlor. Mit dem Wirksamwerden des Erlasses, der Bekanntgabe der Erlaßverfügung an den Angeklagten (§ 124 AO), erlöschen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 47 AO). Ein Zahlungsanspruch des Staates bestand nicht mehr; der Schaden war eingetreten. Dem sicherungshalber dem Finanzamt überlassenen Grundschuldbrief kommt hinsichtlich des Schadenseintritts keine Bedeutung zu. Eine Verwertung der Grundschuld durch die Finanzbehörde kam mangels eines Zahlungsanspruchs nicht mehr in Betracht. Die Grundschuld konnte erst nachfolgend dadurch erneut Bedeutung erlangen, daß das Finanzamt, nachdem es die Täuschung erkannt hatte, die Erlaßverfügung nach § 130 AO zurücknahm. Eine solche Maßnahme, die der bürgerlich-rechtlichen Anfechtung nahesteht, konnte die Tatsache des Schadenseintritts nicht aus der Welt schaffen, sondern nur zur Schadenswiedergutmachung führen."

 

Rz. 1575

[Autor/Stand] Auch im zeitweiligen Absehen von (erfolgversprechenden) Beitreibungsmaßnahmen kann ein Steuervorteil begründet sein, so z.B., wenn der Stpfl., bei dem wegen rückständiger Steuern gepfändet worden ist, die alsbaldige Tilgung in Aussicht stellt und die FinB daraufhin die Versteigerung aussetzt[26].

 

Rz. 1576

[Autor/Stand] Weitere Fälle der Vereitelung des Vollstreckungszugriffs durch täuschendes Verhalten des Stpfl. sind das Vortäuschen der Zahlungsunfähigkeit, Verschieben von Mitteln, die zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung ständen[28]; der Steuerschuldner täuscht (durch Vorlage eines fingierten Sicherungsübereignungsvertrags) eine Sicherungsübereignung vor, um die Vollstreckung in die betreffenden Gegenstände zu verhindern[29]; der Vollziehungsbeamte wird über das Vorhandensein pfändbarer Sachen getäuscht[30].

 

Beispiel 22

Die Angeklagten hatten über die Bereitschaft getäuscht, aus einer ihnen zustehenden Pachtforderung regelmäßig Tilgungen ihrer Steuerschulden v...

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