Rz. 1342

[Autor/Stand] Die Ermittlung der Hinterziehung lohnabhängiger Abgaben wird durch immer komplexer ausgestaltete Abdeckrechnungsketten für die FinB immer schwieriger. Die haftungsrechtlichen Folgen sind aber dank gefestigter Rspr. voraussehbar. Der Arbeitgeber kann dabei vorrangig in Anspruch genommen werden[2].

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids, wenn ein Arbeitgeber nach den Feststellungen der Steufa Lohnsteuer hinterzogen hat[3]. Eine Schätzung der Höhe der Schwarzlöhne durch das FA mit zwei Dritteln des maßgeblichen Umsatzes ist zulässig (s. Rz. 1341).

 

Rz. 1342.1

[Autor/Stand] Seit der BGH[5] den § 266a Abs. 1 StGB als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert hat, haftet der GmbH-Geschäftsführer unter Umständen sogar mit seinem Privatvermögen. Da aber Beitragsschuldner nur die GmbH ist (vgl. § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV), kann die – wohlgemerkt strafrechtliche – Inhaftungnahme des Organs nur über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewerkstelligt werden[6]. De facto nimmt der BGH auf diesem Weg aber auch eine deliktsrechtliche Haftung an, obwohl im SGB eine Entsprechung zu § 69 AO fehlt.

Die Darlegungs- und Beweislast des Sozialversicherungsträgers, der einen GmbH-Geschäftsführer wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266a Abs. 1 StGB in Anspruch nimmt, erstreckt sich auf den Vorsatz des beklagten Geschäftsführers[7]. Hierzu nennt der BGH folgende Kriterien: Der Geschäftsführer muss, sobald erste Anhaltspunkte für eine Krise bestehen, tätig werden und konkrete Überwachungsmaßnahmen treffen, wenn die Abführung der Sozialabgaben in den Aufgabenbereich eines anderen Geschäftsführers oder auf Angestellte übertragen ist. Der auch fahrlässig begehbare § 130 OWiG (s. dazu § 377 Rz. 153 ff.) ist jedoch bei der Beurteilung der Vorsatzfrage nicht maßgeblich, da er kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[2] BFH v. 8.6.2007 – VII B 280/06, DStRE 2007, 1523.
[3] FG München v. 8.5.2012 – 8 V 625/12, juris, m. Anm. Büttner, PStR 2013, 115.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[5] BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 (374) = DB 1996, 2483 = VersR 1996, 1538 = GmbHR 1997, 25 = EWiR 1997, 37 (Schneider) = AG 1997, 37 = wistra 1997, 102; BGH v. 20.12.1988 – VI ZR 145/88, MDR 1989, 533 = VersR 1989, 303; a.A. Kiethe, ZIP 2003, 1957 f.
[6] Zu Recht krit. gegenüber der Rspr. Brand, ZHW 2013, 146 (147).
[7] BGH v. 18.12.2012 – II ZR 220/10, wistra 2013, 234 = ZWH 2013, 146 = VersR 2013, 1058 = ZIP 2013, 412 = GmbHR 2013, 265 m. Anm. Werner und m. Anm. Lampe, PStR 2013, 110 und Brand, ZHW 2013, 148.

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