Rz. 1581

[Autor/Stand] Mit dem am 1.7.2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (Steueroasen-Abwehrgesetz – StAbwG) werden Verwaltungs- und Legislativmaßnahmen ermöglicht, die im Verhältnis zu solchen Steuerhoheitsgebieten Anwendung finden, die auf der EU-Liste nicht kooperativer Steuergebiete (sog. EU-Blacklist) geführt werden. Das Gesetz ist das Ergebnis der Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur EU-Blacklist sowie den seitdem in diesem Zusammenhang durch die Gruppe "Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)" verhandelten und vom Rat gebilligten Maßnahmen.[2]

 

Rz. 1581.1

[Autor/Stand] Das StAbwG ordnet für Stpfl., die Geschäftsbeziehungen zu bestimmten Staaten und Gebieten unterhalten, verschärfte steuerliche Pflichten (insb. Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten) an. Personen bzw. Unternehmen sollen hierdurch davon abgehalten werden, Geschäftsbeziehungen zu natürlichen oder juristischen Personen in diesen Staaten fortzusetzen oder aufzunehmen. Mittelbar soll damit der Anreiz für die landläufig als "Steueroasen" bezeichneten Staaten bestehen, die international anerkannten Standards im Steuerbereich auch in ihrer Jurisdiktion Anwendung finden zu lassen.[4] In tatsächlicher Hinsicht wird den FinB durch die Mitwirkungspflichten eine Sachverhaltsaufklärung auch dann ermöglicht, wenn ein Zusammenhang mit einer Steueroase besteht.[5]

 

Rz. 1581.2

[Autor/Stand] Bislang nimmt das StAbwG eine noch eher untergeordnete Bedeutung ein. Die Relevanz des Gesetzes dürfte jedoch insbesondere mit der Aufnahme von Russland auf die EU-Blacklist am 14.2.2023 zunehmen.[7] Ebenso ist – vor dem Hintergrund der Ausweitung des Schutzes von Whistleblowern[8] – eine generelle Achtsamkeit der Mitarbeiter bzgl. gesetzesmäßigen Verhalten zu erwarten.

 

Rz. 1581.3

[Autor/Stand] Bereits mit dem Inkrafttreten des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes (StHBekG) im Jahr 2009 verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, Geschäftsbeziehungen zu Staaten, mit denen ein defizitärer Auskunftsverkehr besteht, durch Steigerung von Mitwirkungspflichten einzudämmen, jedenfalls aber transparenter zu gestalten, um so etwaige Steuerhinterziehungen aufzudecken und einzuschränken.[10] Allerdings blieb das StHBekG als nationale Initiative rückblickend ein "Phantomgesetz", da ausweislich des BMF zu keinem Zeitpunkt Staaten und Gebiete die Voraussetzungen für Maßnahmen nach der StHBekV erfüllten.[11] Eine Anwendung der Normen war insoweit nicht möglich. Gleichwohl sind die Regelungen des StHBekG sowie der in diesem Zusammenhang erlassenen Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (StHBekV) in das StAbwG – soweit der Regelungsgehalt den internationalen Standards entsprach – aufgegangen.[12]

 

Rz. 1581.45

[Autor/Stand] Obiges betrifft insbesondere die gesteigerten Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten. Die Pflichten sind in § 12 StAbwG normiert, wodurch insbesondere § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f EStG und § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e KStG aufgehoben wurden. Die in § 12 Abs. 2 StAbwG normierten Aufzeichnungspflichten entsprechen im Wesentlichen § 1 Abs. 4 StHBekV. Abweichend wurde in § 12 Abs. 2 Satz 2 StAbwG nunmehr ausdrücklich eine feste Handlungs- und Erfolgsfrist normiert; die Aufzeichnungen müssen spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalender- oder Wirtschaftsjahres erstellt und der zuständigen FinB bzw. (im Falle von § 138a AO) dem BZSt übermittelt werden. Die Aufzählung in § 12 Abs. 2 StAbwG enthält zudem nicht mehr den Zusatz "insbesondere", so dass sich die Frage nach dem abschließenden Verständnis der Auflistung grundsätzlich nicht mehr stellt.[14] Gleichwohl eröffnen auch die einzelnen Begriffe, wie beispielsweise Geschäftsbeziehungen, Ergänzungsmöglichkeiten.

 

Rz. 1581.5

[Autor/Stand] In der Praxis stellt sich das Problem der faktischen Unmöglichkeit der Informationsbeschaffung. In einer Vielzahl von Fällen wird es dem Stpfl. nämlich faktisch nicht möglich sein, die vorgeschriebenen Informationen zu besorgen. So wird er i.d.R. nicht an sensible Unternehmensinformationen gelangen, die sich bspw. auf die Risikostruktur seines Geschäftspartners, dessen eingesetzte Wirtschaftsgüter, dessen Geschäftsstrategie oder dessen Gesellschafterbestand bezieht. Diese faktische Unmöglichkeit der Informationsbeschaffung darf aber nicht zu Lasten des Unternehmers gehen.[16] Der BFH hat dies bereits unter Anwendung des StHBekG für den Fall anerkannt, dass eine deutsche Tochtergesellschaft keinen Zugriff auf Kalkulationsunterlagen der ausländischen Muttergesellschaft erhielt und deshalb die Kalkulation von Verrechnungspreisen nicht dokumentieren konnte.[17] Dieser Grundsatz muss erst recht gelten, wenn der Stpfl. an sensible Informationen seines ausländischen Geschäftspartners, wie namentlich dessen Gesellschafterbestand (§ 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 StAbwG), gelangen soll.[18]

 

Rz. 1581.6

[Autor/Stand] Verletzt der Stpfl. die besonderen Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten, ergeben sich daraus nachstehende Recht...

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