Leitsatz

1. Hat die Agentur für Arbeit das arbeitsuchende Kind aus der Vermittlung abgemeldet, fehlt es aber an einer wirksamen Bekanntgabe der Einstellungsverfügung oder an einer einvernehmlichen Beendigung der Arbeitsuchendmeldung, hängt der Fortbestand der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Agentur für Arbeit nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III (in der Fassung vom 20.12.2011) zur Einstellung der Vermittlung berechtigt hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

2. Weder die Löschung der Registrierung noch die einvernehmliche Beendigung eines Berufsberatungstermins führen zum Wegfall der Arbeitsuchendmeldung.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 38 Abs. 3 und 4 SGB III

 

Sachverhalt

Die im Dezember 1998 geborene Tochter T der Klägerin beendete im Juli 2017 die Schulausbildung. In der Zeit vom ...9.2017 bis zum ...10.2018 absolvierte sie ein Au-pair-Jahr im Ausland.

Ihren Antrag auf Kindergeld ab Oktober 2018 begründete die Klägerin damit, dass T sich seit dem ...10.2018 wieder zu Hause befände und sich am ...10.2018 bei der Agentur für Arbeit D als arbeitsuchend gemeldet habe. Die Familienkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass T nach den Daten der für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stelle nicht als arbeitsuchend gemeldet gewesen sei.

Die auf Kindergeld für die Monate Oktober bis Dezember 2018 gerichtete Klage hatte nur für Oktober 2018 Erfolg. Das FG gelangte nach Beweiserhebung zu der Überzeugung, dass sich T zwar am ...10.2018 als arbeitsuchend gemeldet habe, aber spätestens nach dem Beratungstermin am ...10.2018 davon hätte ausgehen müssen, nicht mehr als arbeitsuchend gemeldet zu sein. Daher wies das FG die Klage für die Monate November und Dezember 2018 ab (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.6.2021, 2 K 106/19, Haufe-Index 15488789).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin führte zur Klagestattgabe. T war weiterhin als arbeitsuchend zu behandeln, da weder eine wirksam bekannt gegebene Einstellungsverfügung noch eine Pflichtverletzung der T oder ihr Verlangen nach Beendigung der Vermittlung festgestellt wurden.

 

Hinweis

1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein über 18 Jahre altes Kind, das das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

2. Bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt. Der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes und einer etwaigen daran anknüpfenden Bescheinigung kommt keine (echte) Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch zu. Entscheidend ist, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet hat.

3. Es fehlt eine ausdrückliche steuerrechtliche Regelung, wann der durch eine Meldung als Arbeitsuchender begründete Status wieder entfällt. Daher ist für das Kindergeldrecht insoweit das Sozialrecht maßgeblich, insbesondere § 38 SGB III i.d.F. vom 20.12.2011.

  • Die Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender entfällt mit wirksamer Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung.
  • Sie entfällt auch ohne Einstellungsverfügung, wenn das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Arbeitsagentur nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F. zur Einstellung der Vermittlung berechtigt.
  • Fehlt es an einer die Arbeitsagentur zur Einstellung berechtigenden Pflichtverletzung, entfällt die Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender nur, wenn das Kind die Beendigung der Arbeitsuchendmeldung verlangt (§ 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III analog). Die Beendigung eines "Beratungsprozesses" bedeutet nicht notwendig die Abmeldung von der Arbeitsvermittlung.

4. Ist die Vermittlung mangels einer beachtlichen Pflichtverletzung des Kindes zu Unrecht eingestellt worden und fehlt es auch an einer wirksamen Einstellungsverfügung oder einem Antrag des Kindes auf Beendigung der Arbeitssuche, besteht die Arbeitsuchendmeldung für Zwecke des Kindergeldrechts grundsätzlich zeitlich unbefristet fort, ggf. bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.9.2022 – III R 37/21

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