2.2.1 Versorgungsberechtigte nach dem BVG

 

Rz. 10

Abs. 1 Nr. 2 regelt die seltenen Fälle, die zugleich Arbeitsunfälle und Versorgungsfälle nach dem BVG oder anderen Gesetzen sind, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen. § 68 Abs. 1 Nr. 7 SGB I zählt die Gesetze auf: § 80 SVG, § 59 BGSG, §§ 4 und 5 HHG, § 47 ZDG, § 60 IFSG, § 1 OEG, §§ 20 und 22 StrRehaG und §§ 3 und 4 VwRehaG.

Für Altfälle vor dem 1.1.2000 gilt weiterhin das BSeuchG, weil das IFSG kein Übergangsrecht enthält (BSG, Urteil v. 20.7.2005, 9/9a VJ 2/04 R, SozR 4-3851 § 20 Nr. 1; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.3.2010, L 13 VJ 24/07, ZFSH/SGB 2010 S. 361).

Die Norm des § 4 Abs. 1 Nr. 2 geht vom Vorrang der Versorgung als Sondersystem für das SVG, das BGSG, das HHG und das ZDG gegenüber der Unfallversicherung aus (vgl. zum SVG: BSG, Urteil v. 27.3.1980, 10 RV 3/79, BSGE 50 S. 80 = SozR 3200 § 81 SVG Nr. 13; zum HHG: BSG, Urteil v. 17.10.1990, 2 RU 63/89, SGb 1991 S. 153 = SozR 3-2200 § 541 RVO Nr. 2; zum ZDG: BSG, Urteil v. 20.4.1993, 2 RU 35/92, SozR 3-2200 § 541 RVO Nr. 3 = SGb 1993 S. 633 mit Anm. Benz). Für das IFSG, OEG, das StrRehaG und das VwRehaG gilt der Vorrang der Unfallversicherung (vgl. Ricke, in: KassKomm, SGB VII, § 4 Rz. 5). Der Wortlaut stellt allein auf den Geltungsbereich des BVG ab. Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist nur das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem BVG entscheidend. Unerheblich ist, dass im konkreten Fall keine Versorgungsleistungen erbracht werden, weil kein Antrag gestellt wurde oder ein Ausschlusstatbestand eingreift. Deshalb ist der Verletzte nach § 4 versicherungsfrei, wenn er es versäumt hat, einen Versorgungsantrag zu stellen, ein der Versorgungsleistung entgegenstehender Ruhenstatbestand erfüllt ist oder der Versorgungsträger keine Leistungen erbringt. Durch die Anknüpfung an den Geltungsbereich des BVG hat der Gesetzgeber eine abschließende Zuweisung vorgenommen, nach der weder der Versicherte noch der Versorgungsträger die Anwendbarkeit des § 4 beeinflussen kann.

 
Praxis-Beispiel

Ein Gefangener verletzt sich bei der Arbeit am Knie, die Versorgungsverwaltung erbringt keine Leistungen nach dem HHG, obwohl ein Anspruch bestand, trotzdem ist er versicherungsfrei (vgl. BSG, Urteil v. 17.10.1990, 2 RU 63/89, SGb 1991 S. 153 = SozR 3-2200 § 41 RVO Nr. 2).

 

Rz. 11

Einen häufig falsch verstandenen Ausnahmefall, in dem gleichzeitig ein Arbeitsunfall und ein Versorgungsfall nach § 135 Abs. 1 BBG i. V. m. § 31 Abs. 1 BeamtVG vorlag, hat das BSG entschieden (vgl. BSG, Urteil v. 16.5.1984, 9b RU 68/82, BSGE 56 S. 279 = SozR 2200 § 636 RVO Nr. 2): Die Deutsche Bundesbahn (DB) und eine Transportfirma hatten vertraglich die Zusammenarbeit vereinbart. Der Hauptbetriebsaufseher der DB verletzte sich, als er mithalf, den Lkw der Transportfirma zu beladen. Diese Tätigkeit diente beiden Unternehmen, weshalb er auch Versicherter der Unfallversicherung war. Für die Entschädigungsleistungen haben die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Vorrang. Der unfallversicherungsrechtliche Haftungsausschluss nach §§ 104 ff. kann aber unabhängig von der Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers eingreifen (vgl. Komm. zu § 104).

2.2.2 Vorrang der Unfallversicherung

 

Rz. 12

Abs. 1 Nr. 2 enthält in seinem 2. HS 2 Ausnahmen von der Versicherungsfreiheit/dem Grundsatz des Vorrangs der Versorgung. Obwohl grundsätzlich eine Versorgungsregelung eingreift, soll zugunsten der Verletzten der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung eingreifen. Nr. 2 Buchst. a lässt die Versicherungsfreiheit entfallen, wenn der Arbeitsunfall die Folge eines früheren Versorgungsfalles ist. Die Vorschrift enthält eine politische Entscheidung. Eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern wegen versorgungspflichtiger Vorschäden soll ausgeschlossen werden, deshalb soll in diesen Fällen mittelbarer Schädigung der Verletzte nicht auf die geringeren Versorgungsleistungen verwiesen werden, sondern die im Regelfall höheren Versicherungsleistungen aus der Unfallversicherung erhalten (BT-Drs. 13/2204 S. 76). Gleichzeitig ruhen die Ansprüche nach dem BVG gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG, um eine Doppelleistung zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil v. 27.3.1980, 10 RV 3/79, BSGE 50 S. 80, und BSG, Urteil v. 20.4.1993, 2 RU 35/92, SozR 3-2200 § 541 Nr. 3). Jedoch kein Ruhen der Versorgungsleistungen als Gewaltopfer, wenn Mehrleistungen für Nothelfer aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus demselben Grund gewährt werden (BSG, Urteil v. 15.8.1996, 9 RVg 5/94, SozR 3-3100 § 65 Nr. 3 = Breithaupt 1997 S. 251).

 
Praxis-Beispiel

Ein Verkäufer stürzt die Treppe hinab, während er Ware aus dem Lager holt, weil eine wehrdienstbedingte Gehbehinderung rechtlich wesentlich mitwirkt.

 

Rz. 13

Nr. 2 Buchst. b ist neu eingefügt worden. Er erfasst die Fälle, die zugleich Arbeitsunfälle und Folge einer Schädigung durch nachträgliche Auswirkungen einer kriegsbedingten Gefahr i. S. d. § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG sind (zur Explosion von Sprengkörpern als unmittelbare Kriegseinwirkung i. S...

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