Das finanzmathematische Verfahren ist anzuwenden, wenn kein (geeigneter) Erbbaugrundstückskoeffizient vom Gutachterausschuss vorliegt (§ 194 Abs. 2 Satz 1 BewG).

aa) Verfahrensablauf

 
Über die Restlaufzeit des Erbbaurechts abgezinster Bodenwert des unbelasteten Grundstücks (§ 194 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 BewG)
+
über die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierter vertraglich vereinbarter jährlicher Erbbauzins (§ 194 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 BewG)
+
ggf. nicht zu entschädigender Wertanteil des Gebäudes bei Ablauf des Erbbaurechts(§ 194 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 193 Abs. 5 BewG)
=
finanzmathematischer Wert des Erbbaugrundstücks (§ 194 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 bis 5 BewG)
x
Erbbaugrundstücksfaktor (§ 194 Abs. 2 BewG)
=
Wert des Erbbaugrundstücks = Grundbesitzwert (§ 194 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 bis 5 BewG)

bb) Erbbaugrundstücksfaktor (§ 194 Abs. 2 BewG)

Erbbaugrundstücksfaktoren geben das Verhältnis zwischen dem Wert des Erbbaugrundstücks und dem finanzmathematischen Wert des Erbbaugrundstücks an (§ 22 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV). Sie sind aus geeigneten Kaufpreisen und den diesen Kaufpreisen entspr. finanzmathematischen Werten zu ermitteln (§ 22 Abs. 3 ImmoWertV). Vorrangig sind Erbbaugrundstücksfaktoren des Gutachterausschusses anzuwenden (§ 194 Abs. 2 Satz 2 BewG). Liegt kein (geeigneter) Erbbaugrundstücksfaktor des Gutachterausschusses vor, gilt der Faktor 1,0 (§ 194 Abs. 2 Satz 3 BewG).

cc) Zinssätze für die Abzinsung und Kapitalisierung (§ 194 Abs. 3 BewG)

Bei der Abzinsung des Bodenwerts ist der Zinssatz zu verwenden, den der Gutachterausschuss bei der Ableitung des Erbbaugrundstücksfaktors zugrunde gelegt hat (§ 194 Abs. 4 Satz 2 BewG). Steht kein entspr. Zinssatz zur Verfügung, gelten die Zinssätze des § 193 Abs. 4 Satz 3 BewG (§ 194 Abs. 4 Satz 3 BewG; s. X. 1. b), cc)).

Bei der Kapitalisierung des vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzinses ist entspr. zu verfahren (§ 194 Abs. 5 Satz 2 und 3 BewG).

dd) Berücksichtigung von nicht zu entschädigenden Wertanteilen von Gebäuden (§ 194 Abs. 3 i.V.m. § 193 Abs. 5)

Ein, bei Ablauf des Erbbaurechts, nicht zu entschädigender Wertanteil ist bei der Ermittlung des finanzmathematischen Werts des Erbbaugrundstücks werterhöhend zu berücksichtigen (§ 194 Abs. 3 Satz 2 BewG). Die Werterhöhung bestimmt sich nach § 193 Abs. 5 BewG.

Die Ausführungen zur Berücksichtigung von nicht zu entschädigenden Wertanteilen der baulichen Anlagen bei der Bewertung des Erbbaurechts gelten hier entsprechend (s. X. 1. b), dd)).

Die Anwendung der Mindest-Restnutzungsdauer hat zur Folge, dass in Fallgestaltungen, in denen die Restlaufzeit des Erbbaurechts die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen übersteigt und keine vollständige Entschädigung vereinbart wurde, die Erbbaugrundstücke im finanzmathematischen Verfahren – weiterhin – regelmäßig überbewertet werden.

Die gesetzlich vorgeschriebene Überbewertung kann der Steuerpflichtige nur auf eigene Kosten durch Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts vermeiden. Der Nachweis ist für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu führen (§ 198 Abs. 1 Satz 1 BewG). Es ist zu beachten, dass ein Erbbaugrundstück, auf dem mehrere Wohnungs- und Teilerbbaurechte lasten, in so viele wirtschaftliche Einheiten zerfällt, wie Wohnungs- und Teilerbbaurechte auf ihm lasten (BFH v. 26.8.2020 – II R 43/18, LS 1 und 2, BStBl. II 2021, 597 = ErbStB 2021, 34 [Rothenberger]). Im genannten Verfahren lagen bspw. 98 (Rz. 6) wirtschaftliche Einheiten vor.

Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung zukünftig i.R.d. dieser Fallgestaltung mit der Mindest-Restnutzungsdauer umgeht.

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