Rz. 56

Die Vorschrift des Abs. 2 bestimmt, dass im Einzelfall ein VA mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben ist, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt. Dabei wird sowohl der Fall erfasst, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung von einer Rechtsauffassung ausging, die noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung war, als auch, dass die Behörde einer ständigen Rechtsprechung gefolgt war, diese Rechtsprechung sich jedoch ändert. Unmittelbar anwendbar ist Abs. 2 jedoch nur, wenn sich diese Rechtsprechung zugunsten des Betroffenen auswirkt. Eine entsprechende Regelung für den Fall, dass sich die Rechtsauslegung zu Lasten des Betroffenen auswirkt, ist nicht vorhanden. Keine Änderung der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe stellt die Rechtsprechung des BVerfG dar (zu den Auswirkungen derartiger Entscheidungen vgl. Blüggel, SGb 2003 S. 507). Durch § 48 Abs. 2 wird die Anwendung des Abs. 1 nicht eingeschränkt (BSG, Urteil v. 21.3.1996, 11 RAr 101/94, SozR 3-1300 § 48 Nr. 48). Eine Erhöhung des Bemessungsentgeltes für das Arbeitslosengeld aufgrund von Nachzahlungen des Arbeitgebers ist daher nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 im Zugunstenverfahren mit Wirkung für die Vergangenheit (ab Nachzahlung des Arbeitgebers) zu berücksichtigen, auch wenn sich die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG über die rückwirkende Erhöhung des Bemessungsentgeltes in derartigen Fällen erst zu einem späteren Zeitpunkt geändert hat (BSG, a. a. O.). Die Möglichkeit einer Abänderung des Ausgangsbescheides nach § 48 Abs. 2 für die Zukunft wegen Änderung der Rechtsprechung des BSG hindert nicht die Abänderung für die Vergangenheit, wenn – zusätzlich – auch eine Änderung der wesentlichen Verhältnisse zugunsten des Betroffenen in der Vergangenheit eingetreten ist.

 

Rz. 57

Da das Recht auf Überprüfung nach § 44 unberührt bleibt, besteht der Zweck neben der Klarstellungsfunktion darin, dass die Verwaltung von einer generellen von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung anlässlich eines Wechsels der ständigen Rechtsprechung entlastet wird und nur eine Aufhebung im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen hat. Daneben bleibt das Überprüfungsverfahren nach § 44 als Einzelfallverfahren und ggf. mit rückwirkender Änderung des VA bestehen.

 

Rz. 58

Eine Änderung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt vor, wenn eine übereinstimmende Entscheidungspraxis mehrerer zuständiger Senate, eine ständige Wiederholung des einzigen zuständigen Senates oder eine Entscheidung des großen oder des gemeinsamen Senates vorliegt (BSG, Urteil v. 23.3.1995, 11 RAr 71/94, Breithaupt 1996 S. 337). Eine ständige Rechtsprechung kann auch eine solche aus anderen Rechtszweigen sein, wenn deren rechtliche Beurteilung eine entscheidungserhebliche Vorfrage ist (BSG, Urteil v. 16.10.2003, B 11 AL 20/03 R). Oberste Gerichtshöfe des Bundes in diesem Sinne sind daher das BSG, das BAG, der BGH, das BVerwG und der BFH, nicht das BVerfG.

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