Lohnsteuer: Aufhebung einer Anrufungsauskunft

Nach einer neuen Entscheidung des obersten Steuergerichts kann eine lohnsteuerliche Anrufungsauskunft grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, jedoch muss ein Anlass wie eine geänderte Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung vorliegen. Wir erläutern die Hintergründe und erklären, was Arbeitgeber bei Anrufungsauskünften beachten müssen.

Das Finanzamt, in dessen Bezirk die lohnsteuerliche Betriebsstätte des Arbeitgebers liegt, hat auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind (sogenannte lohnsteuerliche Anrufungsauskunft, § 42e EStG).

Lohnsteuerauskunft: Klärung von steuerlichen Fragen

Die Vorschrift zielt darauf ab, bereits im Vorfeld Konflikte zwischen dem Arbeitgeber und dem Finanzamt zu vermeiden. Mögliche Antragsteller einer Anrufungsauskunft sind

  • der Arbeitgeber,
  • der die Pflichten des Arbeitgebers erfüllende Dritte (§ 38 Abs. 3a EStG),
  • der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin selbst,
  • Personen, die ansonsten für Lohnsteuer haften, wie z. B. gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte (§§ 34 und 35 AO).

Anrufungsauskunft: wie ist vorzugehen?

Die Anrufungsauskunft ist stets gebührenfrei. Im Auskunftsantrag sind konkrete Rechtsfragen darzulegen, die für den Einzelfall von Bedeutung sind. Für die Erteilung der Anrufungsauskunft ist das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers zuständig. Für den Antrag auf Lohnsteuer-Anrufungsauskunft ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben. Das Betriebsstättenfinanzamt soll die Auskunft schriftlich erteilen. Im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens sind die Beteiligten daran gebunden.

Anrufungsauskunft: Aufhebung oder Änderung mit Wirkung für die Zukunft

Die Anrufungsauskunft kann grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die zu begründen ist (BFH Urteil vom 02.09.2010 - VI R 3/09, BStBl 2011 II S. 233).

Im aktuellen Urteilsfall ging es um eine Anrufungsauskunft des Arbeitgebers für die Zusage, dass Zahlungen aus einem sogenannten Langzeitvergütungsmodell (LTI-Modell) die Voraussetzungen einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit erfüllen und die Lohnsteuer unter Anwendung der sogenannten "Fünftelregelung" berechnet werden kann.

Anrufungsauskunft ändern: geänderte Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung notwendig

Diese Ansicht hatte das Finanzamt 2011 durch Anrufungsauskunft bestätigt. Durch Bescheid aus 2017 wollte es die Anrufungsauskunft aber mit Wirkung für die Zukunft aufheben. Die Begründung: bei den Zahlungen aufgrund des LTI-Modells handele es sich doch nicht um außerordentliche Einkünfte.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH Urteil vom 02.09.2021 - VI R 19/19) war die Auskunft jedoch unverändert rechtmäßig. Er hat deshalb im Urteilsfall entschieden, dass der Widerruf der Anrufungsauskunft wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig war.

Aufhebung einer Anrufungsauskunft: Grundsätze

Allgemein zeigt der BFH für die Aufhebung einer Anrufungsauskunft folgende Grundsätze auf und entwickelt seine Rechtsprechung dadurch fort:

  • Die Aufhebung oder Änderung einer formell und materiell rechtmäßigen Anrufungsauskunft ist in der Regel unzulässig, wenn die Gründe für ihre Erteilung fortbestehen, der Steuerpflichtige sein Vertrauen bereits betätigt hat und über ein besonderes steuerliches Interesse an der Anrufungsauskunft verfügt.
  • Für die Aufhebung oder Änderung einer rechtmäßigen Anrufungsauskunft muss deshalb ein besonderer, sachgerechter Anlass gegeben sein. Ein solcher Anlass kann u.a. vorliegen, wenn sich die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung ändert.
  • Ein Widerruf kann auch dann sachgerecht sein, wenn sich die allgemeine Verwaltungsauffassung zu der die Auskunft betreffenden Rechtsfrage ändert und die geänderte Rechtsauffassung ihren Niederschlag in allgemeinen Verwaltungsvorschriften oder die Finanzverwaltung bindenden Anwendungs­schreiben (z. B. Schreiben des BMF oder Verfügung einer OFD) findet.

Diese Ausnahmegründe lagen im Streitfall nicht vor.

Hinweis: BMF-Schreiben zur Anrufungsauskunft

Die Bindungswirkung einer Anrufungsauskunft erstreckt sich nicht auf das Veranlagungsverfahren. Das Wohnsitzfinanzamt kann daher bei der Einkommensteuerveranlagung einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen.

Dazu und zu weiteren Einzelheiten im Zusammenhang mit einer lohnsteuerlichen Anrufungsauskunft hat das Bundesfinanzministerium einen ausführlichen Erlass unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung herausgegeben (siehe: BMF, Schreiben vom 12. Dezember 2017 - IV C 5 - S 2388/14/10001).


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