Im Jahr 2016 hat das BAG in einer aufsehenerregenden Entscheidung den Grundsatz des "fairen Verhandelns" entwickelt, der insbesondere bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge zu beachten sei. Er ergibt sich aus § 241 Abs. 2 BGB. Er besagt vor allem, dass bei Verhandlungen nicht erkennbare geistige oder körperliche Schwächen des Vertragspartners ausgenutzt werden dürften. Wird hiergegen verstoßen, mache sich der Vertragspartner schadensersatzpflichtig. Der Ausgleich des Schadens besteht darin, dass der unterzeichnete Vertrag unwirksam ist.

Diese Rechtsprechung führte dazu, dass bei Rechtsstreitigkeiten über Aufhebungsverträge immer wieder das Argument vorgetragen wurde, der Arbeitgeber habe gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen. In einer neueren Entscheidung hat das BAG dieses Gebot nunmehr präzisiert und klargestellt.

Der Fall

Der Arbeitnehmerin war in einem unangekündigt anberaumten Gespräch mit Geschäftsführer und externem Rechtsanwalt vorgeworfen worden, Einkaufspreise in der internen Kalkulation dahingehend abgeändert zu haben, dass der Verkaufsgewinn höher ausfalle.

Dann schwiegen sich die Parteien in Folge ca. 10 Minuten an, bevor die Arbeitnehmerin dann den vorbereiteten Aufhebungsvertrag unterschrieb, der u. a. eine Beendigung zum Monatsende regelte. Im Nachgang erklärte die klagende Arbeitnehmerin die Anfechtung des Aufhebungsvertrages und berief sich im Übrigen darauf, der Arbeitgeber habe gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Schließlich habe man ihr mit Kündigung und Strafanzeige gedroht und eine längere Bedenkzeit trotz Nachfrage verwehrt.

Die Entscheidung (BAG, Urteil v. 24.2.2022, 6 AZR 333/21)

Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages ging ins Leere, da man im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer fristlosen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige in Erwägung ziehen durfte. Somit erwies sich die Drohung nicht als widerrechtlich.

Auch habe der Arbeitgeber nicht unfair verhandelt und dadurch gegen seine Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Eine Verletzung dieses Gebotes sei nämlich nur im Ausnahmefall anzunehmen und dieser Ausnahmefall sei zumindest dann nicht gegeben, wenn das Angebot zu dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages nur sofort angenommen werden könne. Schließlich hätte die Arbeitnehmerin diesbezüglich immer noch die freie Wahl gehabt, dieses Angebot auch abzulehnen.

Bedeutung für die Praxis

Es war zu erwarten, dass die Anfechtung der Arbeitnehmerin ins Leere geht. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für den Fall des Nichtzustandekommens eines Aufhebungsvertrags eine außerordentliche Kündigung in Aussicht und durfte ein verständiger Arbeitgeber eine solche ernsthaft in Erwägung ziehen, ist diese Drohung nicht widerrechtlich. Das ist gängige Rechtsprechung.

Positiv ist, dass ein Angebot aber nicht nur deswegen als unfair eingestuft wird, weil es nur sofort angenommen werden kann. Andernfalls wären Arbeitgeber zukünftig gezwungen, grundsätzlich eine Bedenkzeit für den Abschluss von Aufhebungsverträgen einzuräumen.

Arbeitgeber sollten auch zukünftig die Umstände einer Verhandlung von Aufhebungsverträgen gut dokumentieren, um später darlegen zu können, dass keine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wurde, bzw. die freie und überlegte Entscheidung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht eingeschränkt worden ist.

Ein "unfaires Verhandeln" ist zukünftig vor allem dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber eine körperliche oder geistige Schwäche (Erschöpfung, Krankheit, Angstzustände) der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausnützt.

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