Der BGH hat darauf hingewiesen, dass sich seiner bisherigen Rspr. zum allgemeinen Konkurrenzverhältnis zwischen § 263 StGB und § 370 AO keine abschließende Sonderregelung durch den Tatbestand der Steuerhinterziehung im Bereich der Kirchensteuer entnehmen lasse (BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157). Insofern hatte der BGH nämlich entschieden, dass im Rahmen der AO die Strafbarkeit der Hinterziehung von Steuern abschließend in § 370 AO geregelt sei, somit auf § 263 StGB nicht zurückgegriffen werden könne (BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, Rz. 90, NStZ 1998, 572; Adick/Linke, NZWiSt 2021, 238, 239; S. 2.1 DA-KG § 370 AO als lex specialis gegenüber § 263 StGB).

Dass der BGH aber diese Rspr. gerade nicht auf die Kirchensteuer übertragen will, führt dazu, dass nicht per se die Strafbarkeit nach § 263 StGB ausgeschlossen ist. Dies gilt insb. auch, da ja sowieso nunmehr in keinem Bundesland sich eine Konkurrenzsituation zwischen § 370 AO und § 263 StGB ergibt und, wie jüngst durch das OLG Frankfurt geschehen, ein Nebeneinander beider Straftatbestände – zumindest in gewissen Konstellationen – von einer Mindermeinung für möglich erachtet wird.

Auch wird § 263 StGB von § 370 AO nur soweit als verdrängt erachtet, als der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO erfüllt sind (Webel, Steuerfahndung – Steuerstrafverteidigung, 3. Aufl. 2016, Rz. 365). Dies wäre aber nicht der Fall, wenn die Anwendung des § 370 AO auf Kirchensteuer entfällt.

Aus Art. 4 Abs. 3 EGStGB und § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO wird zudem hergeleitet, dass der Bund auf eine Strafbarkeit wegen Betruges im Bereich der Kirchensteuer nicht verzichtet habe, denn diese Vorschriften lassen die Strafbarkeit wegen Betruges unberührt und grundsätzlich hätten die Bundesländer gar keine Regelungsbefugnis auf dem Gebiet des Strafrechts, soweit der Bund von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch mache – Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1 GG, Art. 4 Abs. 2 EGStGB (BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157; Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 158; Webel, Steuerfahndung – Steuerstrafverteidigung, 3. Aufl. 2016, Rz. 225).

Allerdings gesteht der BGH zu, dass Art. 4 Abs. 3 EGStGB auch derart im Lichte des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV ausgelegt werden könne, dass den Bundesländern als Annexkompetenz zu ihrer Regelungsbefugnis bezüglich der Kirchensteuer auch überlassen bleibe, die Strafbarkeit im Hinblick auf § 263 StGB auszuschließen (BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157; Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 158; Randt in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 386 AO Rz. 31).

Nach anderer Meinung soll bereits wegen der tatbestandlichen Exklusivität des § 370 AO ein Rückgriff auf § 263 StGB ausscheiden (Wollschläger in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 386 AO Rz. 16; a.A. Ziemann in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 369 AO Rz. 9).

Der Gesetzgeber hat bei § 386 AO jedoch wiederum ausdrücklich die Meinung vertreten, dass die Hinterziehung von Kirchensteuer nach § 263 StGB strafbar sein kann, zumindest wenn die Kirchensteuergesetze der Länder dies anordnen (BT-Drucks. IV/2476, 18; BT-Drucks. V/1812, 29; vgl. hierzu auch BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157).

M.E. spricht gegen eine Strafbarkeit nach § 263 StGB der Umstand, dass es sich bei der Kirchensteuer um eine Mitgliedsteuer handelt, der man sich durch einfachen Kirchenaustritt ohnehin entziehen kann. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass im Unterschied etwa zur Einkommensteuer im Kirchensteuerrecht für besonders einkommensstarke Steuerpflichtige eine Kappung der Kirchensteuer gegeben ist (Gehm, NWB 2019, 2210, 2218). D.h. dass sich aus der besonderen Struktur der Kirchensteuer heraus erklärt, warum auf eine diesbezügliche Strafbarkeit ganz bewusst verzichtet wurde, insofern sei auch auf die zitierten Ausführungen im Gesetzgebungsverfahren in Sachsen hingewiesen (vgl. auch Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 158; Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, Rz. 58; Randt in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 386 AO Rz. 31; a.A. Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 428 f. sowie 479).

Es wäre ja geradezu widersinnig, wenn der Landesgesetzgeber zwar berechtigt wäre, auf eine Anwendung von § 370 AO im Hinblick auf die Kirchensteuer zu verzichten, dann aber die Strafbarkeit nach § 263 StGB weiterhin gegeben wäre. Dass der Bundesgesetzgeber von einer Strafbarkeit nach § 263 StGB ausging, ist zu relativieren, da dies unter der Prämisse stand, dass der Landesgesetzgeber sich hierzu in den Kirchensteuergesetzen entscheidet. Durch den Verzicht auf § 370 AO in den Kirchensteuergesetzen der Länder wurde bewusst jede Form der Strafbarkeit in diesem Zusammenhang verneint. Zudem besteht theologisch betrachtet keine Pflicht für die Gläubigen, in Form von Steuern ihre Kirche zu unterstützen, d.h. auch dur...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge